Bartın: Von Amasra bis Zauberei

Nach mehr als fünf Wochen Herbstwetter in Dänemark und Deutschland war ich vor allem eines: absolut urlaubsreif. So nahm ich die Einladung meiner Freundin D. gerne an und besuchte sie und ihre Familie in der Region Bartın am Schwarzen Meer.

Kreative Beschäftigung am Strand

Alleine die Hinfahrt lohnte sich schon – als Anbieter kann ich Kamil Koç empfehlen, bei dem die etwa 5 1/2-stündige Fahrt 45 Lira kostet und außerdem waren die Herren im Buchungsbüro so charmant, hielten mich zwar für griechisch (immer mal was Neues), aber für ungeheuer schön. Zudem gibt es einen Servicebus, der mich z.B. direkt vom Taksim bis zur dichtesten Haltestelle in Alibeyköy fuhr. Dann ging’s richtig los:

ein schicker Reisebus, ein Minifernseher an jedem Platz (türkische Soaps kann sogar ich verstehen), dreimal gratis Kaffee (wahlweise auch Tee) und Kekse, zwischendurch Wasser. Dazu der fantastische Blick durch die Frontscheibe, denn ich saß in der ersten Reihe: große Städte, kleine Städte, Dörfer, weite Felder, dicke und dürre Kühe, kahle und grüne Berge, verrückte Fahrer, quasi neben mir der fluchende und alle Autofahrer beschimpfende Busfahrer. Am frühen Abend erreichte ich den Busbahnhof in Bartın und war überrascht, dass der mitten in der Walachei lag. Irgendwie hatte ich mir Bartın die ganze Zeit als eine größere Stadt vorgestellt, aber die Provinz besteht in erster Linie aus kleinen Dörfern und die gleichnamige Stadt selbst hat nur 52.000 Einwohner.

D. holte mich im Auto ab und wir fuhren in ein sehr kleines Dorf, wo das Haus ihrer Familie auf einem Berg mit fantastischer Aussicht steht. Da das Schwarze Meer direkt hinter den Bergen beginnt, bildete das Ganze für mich eine wundervolle Verschmelzung: Alpen meet Mecklenburg. Dort hat jeder noch seine eigenen Hühner, Gärten, Felder, freilaufende Kühe mit Glocke um den Hals, freilaufende Hunde mit Glöckchen um. Neben roten Autos sind die beliebtesten Fortbewegungsmittel rote Trecker und schnelle Mopeds.

An den Tagen unternahmen wir Verschiedenes: nach einem ausgiebigen Frühstück mit u.a. frisch geflückten Feigen und selbst eingelegten Paprika, lagen wir am leeren Strand und schwammen im Schwarzen Meer, das übrigens ein sehr klares Blau hat. Sehr schön war es in Ikumu, einem kleinen Badeort, der fast ausschließlich aus Ferienwohnungen und kleinen Strandcafés besteht. Ich nehme an, in den kalten Schwarzmeerwintern kann man den Ort über die steilen Serpentinenstraßen nicht einmal erreichen.

Amasra

An einem Tag fuhren wir nach Amasra, eine kleine auf einer Halbinsel gelegene Stadt, die von den Persern ca. 300 v. Chr. gegründet wurde. Heute spaziert man durch die alte Stadtmauer auf die Halbinsel, findet auf der höchsten Spitze Teegärten und kann von dort die kleinen Häuser, die vorgelagerte Kanincheninsel und die grüne Steilküste etwas weiter entfernt sehen.

Bartın ist mit Abstand die größte Stadt in der Region, da sie aber kein Touristenort ist, war es dort sehr ruhig, zumal viele während des Ramadans zu Hause bei ihren Familien bleiben. Am Fluss Bartın Çayı lässt sich in entspannter Atmosphäre Tee trinken.

Poğaça frisch aus dem Ofen

Die Region ist also perfekt zur Entspannung. Und dann habe ich sogar nach mehr als acht Monaten mal wieder gekocht. Oder zumindest mitgekocht und gelernt, wie man Sarma (gefüllte Weinblätter) und Poğaça (gefüllte Teigtaschen) macht. Mit vollem Bauch lagen wir nachts auf der Terrasse und schauten in die Sterne, die dort sehr hell scheinen (vielleicht kommt mir das aber auch im Gegensatz zum nie dunklen Istanbul nur so vor). Ein paar Sternschnuppen flogen auch vorbei und machten meine Wünsche wahr (nur an der Wunschformulierung muss ich noch arbeiten).

Wo Sternschnuppen tatsächlich Wünsche erfüllen, kann man auch zu Hexen gehen, um den bösen Blick vertreiben zu lassen. Und überhaupt sind die Leute in der Region zauberhaft. Nachbarn bringen spontan warmes Börek vorbei. Man kocht Gästen sofort Tee und holt Essen hervor. Lustig war die Feststellung, ich könne noch nicht 27 sein, dafür sei ich zu dünn. Die Logik dahinter? Je älter, desto mehr Essen, desto dicker. Oder auch: je reicher, desto mehr Fleisch, desto dicker. Da war ich dann allerdings froh, wieder zurück nach Istanbul fahren zu können, die hätten mich sonst noch richtig herausgefüttert 🙂

© janavar

(erstmals veröffentlicht am 15. August 2011)

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