Die letzten drei Tage habe ich mein geliebtes Istanbul mal aus den Augen eines Touristen gesehen. Mit meinen Eltern war ich lange unterwegs – also nach jeweils zehneinhalb Stunden Schlaf (zeigt, wie fertig ich bin) und einem ausgiebigen Frühstück mit viel Obst (sehr leckere Erdbeeren kosten gerade ca. 2€/kg; grüne, saure Pflaumen); viel türkischem Joghurt, der wegen des hohen Fettgehalts sehr gut schmeckt; mit tel peyniri – salziger Käse in Streifen; Rosenmarmelade und frisch gebrühtem Kaffee (hach, ich liebe meine neue Kaffeemaschine). Aber danach waren wir wirklich lange unterwegs.
Am Freitag entschieden wir uns, den Dolmabahçe-Palast zu besichtigen, der schön am Bosporus und v.a. schön bei mir um die Ecke gelegen ist. Vielleicht hätten wir beim Fußmarsch entlang des Bosporusufers im Fındıklılı Parkı auf die Teepause verzichten sollen, denn irgendwie hatten sehr viele Touristen die Idee, sich um die Mittagszeit zum Palast aufzumachen und so standen wir das erste Mal in der Schlange zur Sicherheitskontrolle, so wie auf Flughäfen oder sämtlichen türkischen Einkaufszentren. Die zweite Schlange zog sich noch länger und bis zum Ticketkauf standen wir uns über eine Stunde die Beine in den Bauch. Interessant waren lediglich der Wachwechsel der Soldaten (große, gutgewachsene türkische Männer), die vielen herumstreunenden Katzen und die vorüberhetzenden Japaner in Jogginghose und mit Kamera in der Hand (angemeldete Gruppen). Aber irgendwann durften wir auch unsere Eintrittskarten für zwanzig Lira (ca. 10€ bzw. ich mit türkischer Lehrerrabattkarte für eine Lira) kaufen und uns nach einem kurzen Marsch durch den Garten wiederum anstellen – dieses Mal für die Führung durch die Empfangsräume. Die Führungen durch die vielen, riesigen, üppig ausgestatteten Räume sind sehr interessant, leider muss man sich aber immer beeilen, bei der Gruppe zu bleiben und hat wenig Zeit, alles genau zu betrachten und zu genießen. Sultan Abdülmecid I. hat jedenfalls beim Bau des Palastes in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht gespart: es gibt tonnenschwere Kristallleuchter, Treppengeländer aus Kristall, englische Teppiche, türkische Teppiche (einer davon würde meine gesamte Wohnung auslegen), riesige Vorhänge mit Spitze, unzählige Möbelstücke im europäischen Barockstil, bunt bemalte Wände und Decken …
Es lohnt sich auch, an der zweiten, kleineren Führung durch den Harem teilzunehmen, um zu sehen, dass die Frauen der Sultansfamilie zumindest einen wunderschönen Wohnbereich und fantastische Himmelbetten hatten. Schließlich wohnte nicht Atatürk nicht nur dort, sondern starb auch in einem der Privatgemächer am 10. November 1938 um 9.05 Uhr. Außerdem ist der 600 Meter lange Palast, wie der türkische Name schon sagt (Dolmabahçe = Palast der aufgeschütteten Gärten), von einem großen Garten umgeben, in dem es im Moment nach Tulpen in allen Farben und blauen Hyazinthen riecht. An der Wasserseite kann man hinüber nach Asien und auf die Bosporusbrücke blicken. Und wenn das Schlangestehen und die unangenehmen Temperaturen von 12°C und Wind einem den Rest geben, lohnt es sich, in eines der beiden Cafés einzukehren und heißen Tee oder Nescafé aus dem Beutel zu trinken. Die Cafés gehören der Stadtverwaltung (auch an vielen anderen touristischen Plätzen) und haben damit auch angemessene Preise. Der Möhrenkuchen schmeckt übrigens auch ausgezeichnet!
Für die Besichtigung des Palastes sollte man inklusive Warten einige Stunden einplanen und so verließen wir den Komplex erst gegen 18 Uhr.
Meine erste Touristenerkenntnis war: Istanbul ist eine sehr, sehr große Stadt, die sehr, sehr viele Touristen anlockt, weshalb man an einem Tag nur ein oder maximal zwei der berühmten Sehenswürdigkeiten einplanen sollte.
Deshalb fuhren wir am Tag Zwei mit der Straßenbahn nach Eminönü und starteten von dort eine Bosporusbootstour – gleich die erste, genau dort, wo man aus der Straßenbahnunterführung herauskommt. Für zehn Lira fuhren wir an beiden Ufern des Bosporus entlang bis hoch zur zweiten Brücke (Fatih Sultan Mehmet Brücke). Wir entschieden uns gegen das Frieren auf dem Oberdeck und schlürften drinnen mal wieder Tee, während wir Häuserwüsten, alte Paläste, schön restaurierte Holzhäuser und Richtung Norden auch mehr und mehr Bäume sahen. Speziell das pinke Haus auf der asiatischen Seite und dort auch das lilafarbene auf einem Berg weckten mein Interesse. Leider werde ich mir wohl niemals Eigentum in Bosporusnähe leisten können.
Nach der Bootsfahrt erkundeten wir den Gewürzbasar in Eminönü und suchten von dort den Weg zum Großen Basar. Ich war verdammt froh, als wir endlich einen Eingang fanden, und traute mich nicht, meinen Eltern zwischendurch zu gestehen, dass ich verloren war in den Straßen mit den Gardinen, Hand- und Kopftüchern. Auf dem Basar wurden wir geblendet von dem strahlenden Gold, dem glitzernden Kitsch, großen Wasserpfeifen, typischen Touristensouvenirs wie Kacheln, Schachspielen und Glaslampen. Aber es ist auch schön, sich durch die alten Gewölbe zu schieben und sich tatsächlich wie im Orient zu fühlen. Dank dem riesigen Touristenwulst nervten die Händler auch nicht, selbst als ich die perfekten Fakehandtaschen aus Leder bewunderte (ich glaube, dahin muss ich nochmal). Am Ende kauften wir aber nur ein Schächtelchen mit Safran für Mutti. Und brauchten anschließend endlich wieder ein Teepäuschen, wofür wir mit der Tram von Beyazit zwei Stationen weiter nach Sultanahmet fuhren und mit Blick auf die Aya Sofya den Abend genossen. Und ich merkte mal wieder, wie toll Istanbul ist, meine Stadt.
© janavar
(erstmals veröffentlicht am 25. April 2011)