Iznik – Schon 1000 v. Chr. gegründet und – damals noch unter dem Namen Nicaea – über zweitausend Jahre lang eine bedeutende Stadt wurde es im Osmanischen Reich für seine Kachelkunst berühmt. In der Stadt am Izniksee finden sich heute noch recht gut erhaltene Reste der historischen Stadtmauer und eines alten römischen Aquädukts.
Diese Informationen aus dem Reiseführer ließen vor meinen Augen ein bestimmtes Bild der Stadt entstehen: eine kleine, frische Siedlung, die mit hübschen Häuschen am Wasser, schönen Kacheln, alten Monumenten und fröhlichen Menschen auf die Touristen wartete. Immerhin begrüßte uns auch das Atatürkdenkmal an der zentralsten Stelle des Ortes, als wir am einzigen Kreisverkehr aus dem Dolmuş stiegen. Wir waren fast die einzigen Touristen, die durch die nach verheiztem Holz stinkenden Straßen der kleinen Stadt wanderten. Viele Häuser waren alt und notdürftig geflickt, z.B. mit Pappe in kaputten Fenstern. Gleichwohl hatte aber jedes Gebäude eine hübsche Kachel als Hausnummer. Die Leute stapften mürrisch durch die Gegend, die Mehrheit der Frauen trug Kopftuch, viele Männer tuckerten mit kleinen Treckern oder Mopeds durch die engen Straßen. Die Stadt besteht aus zwei Hauptstraßen, die sich im Kreisverkehr kreuzen. Auf der Atatürk Caddesi läuft man an den normalen Geschäften, also Supermärkten, dem Zwiebelhändler usw. vorbei, die Kılıçaslan Caddesi verbindet den See mit den Läden der Kachelmacher und sogar mit dem Aquädukt. Nach einem kurzen Spaziergang am wunderschön von den hohen Bergen umgebenen See erkundeten wir sämtliche Kachellädchen – und ich meine: alle. Jeden einzelnen. Und es gibt eine ganze Menge davon in Iznik. In jedem von ihnen gibt es Magneten, Schlüsselanhänger, Schmuck, Teller, Untersetzer, sonstiges Geschirr … aber immer wieder ein wenig anders, immer wieder mit etwas anderen Mustern und Formen, so dass wir tütchenweise Ringe, Ohrringe, Ketten, Magnete usw. herausschleppten. In vielen der Läden konnten wir geduldigen Kachelmalern bei ihrer Arbeit zusehen und trafen u.a. einen Ladenbesitzer, der ursprünglich Perser war, aber sehr gutes Bayrisch sprach.
Anschließend spazierten wir durch eines der antiken Stadttore hinaus und auf dem Weg zwischen dem örtlichen Friedhof und dem Aquädukt entlang auf die ersten Hügel. Von dort hatten wir eine fantastische Aussicht auf die kleine Stadt in ihrer Ganzheit, auf den Izniksee und die sich um ihn herum auftürmenden Berge sowie auf weite Olivenbaumhaine. Ein weiteres Highlight sollte wohl ein recht zerstörter Sarkophag auf dem Berg sein, jedoch fesselte uns eine andere Attraktion viel mehr: ein rosanes Sofa, das dort mitten im Grünen stand und nur so nach einer langen Fotosession rief.
Übrigens gibt es in Iznik auch ein Stadtmuseum, in dem Funde der griechischen Antike sowie die Überreste der ersten Kacheln ausgestellt werden. Die zum Museum gehörigen Toiletten sind an kühlen Wintertagen aber eher ungeignet. Und ungeeignet ist der Ort auch, wenn es um die Essenssuche geht. Aus Ermangelung an Alternativen aßen wir zweimal im gleichen Imbissrestaurant Köfteci Yusuf, wo es aber gutes Fleisch gab und die 18-jährigen Kellner voller Stolz ihre zwei Wörter Deutsch und Englisch an uns ausprobierten.
Nachdem wir nach weniger als zwei Tagen überall wiedererkannt wurden und von der ländlichen Idylle auch tiefenentspannt waren, war klar, dass die Reise weiterführen musste: ins große Bursa. Und so stiegen wir wieder in einen Dolmuş, der uns über holprige Straßen – so holprig, dass das Kind im Sitz vor mir das Mittagessen wieder in eine Tüte abgab –, aber mit wunderschöner Aussicht, wegbrachte.
© janavar
(erstmals veröffentlicht am 22. Februar 2011)