Beängstigender Nationalismus

“Nationalismus. Eine Kinderkrankheit, sozusagen die Masern der Menschheit.” – Albert Einstein –

Versteht mich nicht falsch. Ich bin generell gegen extremistische Haltungen. Ich mag weder die krassen Katholiken oder Protestanten in Irland, die alle meinen, die Insel gehöre ihnen, und nebenbei versuchen, alle Atheisten zu missionieren; noch Leute in meiner Heimat, die unbedingt die DDR zurückwollen, “weil damals alles besser war”; nicht die Neonazis in Deutschland, die alle Ausländer scheiße finden, ausgenommen ihren besten Freund Ali – oder um ein konkretes Beispiel zu nennen: meinen Cousin, der neulich stolz mit einer “88” auf der Rückscheibe seines Fensters vorfuhr (ein lebendiges mecklenburgisches Kliché und da freue ich mich immer wieder, in den Schoß der Verwandtschaft zurückzukehren und von der Türkei zu schwärmen).

Heute habe ich zum ersten Mal wirklich Angst in Istanbul gefühlt. Da wollte ich am Nachmittag nur kurz zum Augenbrauenwachsen auf die Istiklal und sehe die ganze Straße voller roter Fahnen und voller schreiender Menschen. Sie demonstrierten gegen die PKK, die bei einem Attentat in dieser Woche mindestens vierundzwanzig Soldaten und Polizisten in Çukurca, einer Stadt im Südosten, getötet hatten. Sie trugen die türkische Flagge, banden sich Bänder um die Stirn, den Hals, die Arme, trugen rot-weiße T-Shirts, trugen Pappsärge und dabei schrien sie, buhten, pfiffen und boxten mit den Händen in die Luft. Die Atmosphäre war mit Zorn geladen, ein paar Polizisten sicherten die Nebenstraßen ab, über der Istiklal kreiste ein Hubschrauber. Diese Demonstranten trauerten nicht um die Gefallenen, sie forderten Rache. Und das machte mir eine Heidenangst. In dieser Menge war eine unglaubliche Menge an Wut und Gewaltbereitschaft. Frei nach dem Motto: Bist du nicht für uns, sind wir auch gegen dich.

Da mir immer noch viele Worte fehlen, hier einige Bilder des “Events”:

© janavar

(erstmals veröffentlicht am 23. Oktober 2011)

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