Sardes war eine große Stadt. Früher. Bis 541 v. Chr. Hauptstadt des Königreichs Lydien. Ihr letzter großer König Krösus – der aus der Redewendung. Hauptstadt der persischen Provinz Lydien bis 334 v. Chr. Dann wird es griechisch, 133 v. Chr. römisch und Sitz eines Gerichtsbezirkes. Im Byzantinischen Reich verliert Sardes seine Bedeutung. Heute ist es ein idyllisches Dorf am Fuße des Tmolos-Gebirges, 86 km von Izmir entfernt. Es gibt zwei große Ausgrabungsstätten mit längst verfallenen antiken Gebäuden, dem Artemistempel und dem Gymnasium. Die liegen am Dorfrand. In der Dorfmitte gibt es einen kleinen Laden, eine Lokanta, drei Cafés, davon zwei nur für Männer. Ein Schild zum Internetcafé im zweiten Stock eines Wohnhauses.
Bis Sardes oder Sart, wie es heute heißt, muss man erst einmal gelangen. Wir hatten die Idee, ein Auto zu mieten, wobei uns der Rezeptionist im Hotel behilflich war. Für sechs Leute brauchten wir ein großes Auto, einen Mercedes Viano, der für einen Tag nach etwas Handeln 200 Lira kostete. Wir bekamen das Auto mit einem ziemlich leeren Tank, wie es in der Türkei häufig ist. Noch der Hinweis, die nächste Tankstelle liege auf der nächsten Hauptstraße. Dann rollten wir durch eine Basarstraße Izmirs und blieben auf der ersten großen Kreuzung der Hauptstraße stehen. Der Tank war so leer, dass der Motor nicht mehr ansprang. Es blieb kaum Zeit, uns über die Autovermietung zu ärgern, wir mussten das Auto wegschieben. Eine von uns lief zur Tankstelle, wo sie in großen, leeren Wasserflaschen Diesel bekam. Mit drei Litern im Tank schafften wir es am Ende bis zur Tankstelle.
Dann berechneten wir genau, wie viel Kraftstoff wir voraussichtlich brauchen würden, um das Auto am Abend mit einem leeren Tank wieder auf dem Hotelparkplatz abzustellen. Naja, ganz genau haben wir es nicht hinbekommen und mussten zweimal kleine Mengen nachtanken. Nach dem Zwischenfall startete unsere Fahrt aber richtig und wir verließen Izmir durch ein sehr hässliches, stinkendes Industriegebiet.
Irgendwann bogen wir von der großen Fernverkehrsstraße Richtung Ankara in ein kleines Dorf, Sardes, ab und suchten nach den Hinweisen auf die antiken Stätten. Der Tempel liegt noch ein Stück weiter, außerhalb vom Dorf. Für 8 Lira gelangt man zu dem alten heiligen Bau bzw. seinen Ruinen. Gebaut wurde er für Artemis, die griechische Göttin der Jagd.
Heute ist die Tempelruine, die zwischen dem 4. und 2. Jahrhundert vor Christus erbaut, aber nie vollendet wurde, ganz idyllisch gelegen. Ein grünes Tal mit blühenden Bäumen und knallrotem Klatschmohn, umgeben von Bergen. Einige alte Motorräder mit Beiwagen stehen herum sowie eine Güterlore und so richtig passen sie nicht ins Bild. So wie eigentlich auch nicht der moderne Dorffriedhof, der deutlich sichtbar auf einem der Berghänge liegt.
Erst 1910 begannen hier die ersten Ausgrabungen durch ein Team amerikanischer Archäologen. Heute kann man die alte Bodenplatte des Tempels, zwei intakte Säulen und viele kleinere Stücke sehen. Die großen Säulen sind 18 Meter hoch und sowieso ist der ganze Tempel immer noch eindrucksvoll und ich habe mich daneben ganz klein gefühlt.
Ursprünglich sollte der von König Krösus gewünschte Tempel genauso groß und prachtvoll werden wie die in Ephesos und Didyma. Der Apollontempel in Didyma (heute: Didim) ist der drittgrößte in der Ägäisregion und bis heute einer der am besten erhaltenen. Der Artemistempel im etwa 130 km entfernten Ephesos (heute: Efes) zählt sogar zu den Sieben Weltwundern der Antike, ist aber heute bis auf eine einzige Säule nicht mehr erhalten.
Von daher lohnt sich ein Besuch der Tempelanlage in Sardes auf jeden Fall, weil es so viele Überreste der Bauruine gibt und man beim Betrachten ständig neue Details entdeckt.
Nach dem Spaziergang brauchten wir dringend eine Kaffeepause und bestellten in der Dorfmitte türkischen Kaffee. Dort waren wir die einzigen Touristen, denn die meisten werden von großen Reisebussen direkt bis zum Tempel bzw. dem Gymnasium gebracht und fahren nach der Besichtigung direkt weiter. Wir aber mussten uns erst einmal im Schatten ausruhen, weil es schon Mitte Mai so heiß war und liefen danach durch die brennende Sonne zum Gymnasium …
© janavar
Da haben sich die Strapazen der Anfahrt aber wirklich gelohnt ♥