Da das Wetter immer noch so schön hier ist, was ich gar nicht oft genug betonen kann: heute wurde die 20°C-Grenze wieder überschritten, entschied ich mich, nach der Arbeit zu Fuß nach Hause zu laufen. Normalerweise fahre ich mit der Straßenbahn, aber bei schönem Wetter habe ich keine Lust, mich in einen der überfüllten Wagen zu drängen.
Daher wanderte ich in aller Ruhe an der beeindruckenden Valide Sultan Moschee (auch: Yeni Camii) vorbei und über die Galatabrücke. Oft laufe ich oben entlang und schaue den Anglern zu, wie sie ihre zumeist viel zu kleinen Fische aus dem Bosporus nach oben ziehen und in ihre mit Wasser gefüllten Jogurteimer werfen. Das größte Geschäft machen dort oben wohl die Angelbedarfs- und Teeverkäufer.
Heute lief ich aber unten entlang, wo sich kleine Restaurants und Cafés aneinanderdrängen, wo einen jeder Kellner in sein Lokal locken will und wo einem der Blick auf den Bosporus durch unzählige Angelsehnen verschleiert wird. Ölflecken auf dem dunklen Wasser entpuppten sich auf den zweiten Blick als fette Quallen.
Nach der Brücke stapfte ich schweratmend den Berg hinauf zum Galataturm, wo sich Touristen drängten. Bevor ich herzog, war mir nie bewusst, dass Istanbul auf Bergen gebaut ist – Fahrradfahren hat sich damit erledigt und ich habe mittlerweile das Gefühl, dass meine Waden ziemlich stramm werden von dem ständigen Bergsteigen. Aber bei dem schönen Wetter nehme ich dann doch gerne auch Eierwaden in Kauf. Weiter lief ich nämlich auf der Istiklal Caddesi – die wohl bekannteste Einkaufsstraße Istanbuls. An einem Wochentag ist die Straße vergleichsweise leer und man wird nicht auf jedem Meter von den schrillen Tönen eines Straßenmusikers beschallt. Heute sah ich lediglich einen kleinen Jungen, der auf einem billigen Plaste Melodica-Piano spielte, was übrigens ganz schief und grausig klang.
Im englischen Buchladen “Robinson Crusoe” ist mein gewünschtes Buch (“Eat, pray, love”) leider weiter ausverkauft und außerdem gibt es in der gesamten Straße keinen einzigen Stoffbeutel zu kaufen (oder sagen wir mal: einen Stoffbeutel zu einem angemessenen Preis und nicht für umgerechnet 50€ bei Accessorize).
Ansonsten ließ ich mich aber wenig von den vielen Geschäften ablenken, auch wenn die fantastische Schuhabteilung im Çetinkaya immer lockt.
Wenn ich erstmal am Taksim angekommen bin, laufe ich nur noch einen halben Berg hinunter und bin innerhalb von fünf Minuten in meiner Wohnung.
Insgesamt brauchte ich etwa eine Stunde für den Marsch, aber mein Kopf war frei genug, um zu Hause sofort weiterzuarbeiten. Zum Glück soll das Wetter auch in den nächsten Tagen so schön bleiben bzw. “22°C und es wird noch heißer”.
© janavar