Neues von den Protesten//8. Juli

Heute Vormittag wurde der Gezi-Park feierlich wiedereröffnet, nachdem er vor drei Wochen geräumt und geschlossen worden war. Übrigens auch wiedereröffnet, weil ein Gericht bereits Anfang Juni die Bebauungspläne gekippt hatte – diese Entscheidung ist seit letzter Woche bekannt. Jetzt ist der Park wieder geschlossen. Genau genommen war er nur etwa drei Stunden für die Öffentlichkeit zugänglich. Dann hat der Istanbuler Gouverneur Mutlu ihn wieder schließen und von der Polizei stürmen lassen – mit diesmal farbigem Tränengas und Wasserwerfern. Der Grund: Es gab Demonstrationsaufrufe, wieder auf dem Taksim und im Gezi-Park gegen die Regierung zu demonstrieren.

Foto von heute Abend, via Facebook-Gruppe “Live Updates from Turkey”

Es ist fast Alltag, dass die Polizei Demonstranten und auch sonstige Bürger, die versehentlich zur falschen Zeit am falschen Ort sind, über den Taksim und die Istiklal Cadessi jagt. Ihr Tränengas verschießt, inzwischen gerne auch direkt in Häuser. Ihre neu gelieferten Wasserwerfer einsetzt. Mit Hilfe der Geheimpolizei die Leute durch die Hintergassen hetzt. An Krankenhauseingängen auf die Verletzten wartet, um sie direkt gefangen zu nehmen. Journalisten niederprügelt. Friedliche Demonstranten festnimmt. Unterstützer des Regimes aber unterstützt, wenn sie mit Waffen wie Pistolen oder Macheten gegen die Protestierenden kämpfen. Die Polizei greift ein, wenn sich Demonstranten friedlich versammeln und Blumen verteilen oder eine riesige Wasserpistolenschlacht veranstalten. Sie greifen wie am Sonnabend sogar schon eine halbe Stunde vor dem Beginn der angemeldeten Demonstration an.

Die türkische Regierung ignoriert das Problem weitestgehend. Sie kümmert sich lieber um den Coup in Ägypten, den sie scharf verurteilt, und fordert die Rückkehr Mursis, weil Demokratie (nur) über Wahlen verläuft. Sie verurteilt außerdem, dass mit Gewalt gegen das eigene Volk vorgegangen wird, weil dies das Ende der Meinungsfreiheit und friedlicher Demonstrationen bedeutet.

Ich bin etwas verwundert, dass ich in einigen deutschen Medien gerade gelesen habe, dass die Proteste zwischendurch verebbt wären. Das stimmt nicht, es gab in den letzten Wochen ständig neue Demonstrationen und sowohl in Istanbul als auch in Ankara immer wieder Tränengas- und Wasserwerferangriffe auf sie. Nur die internationalen Medien haben darüber nicht mehr so viel berichtet, weil z.B. erst Brasilien und nun Ägypten in den Fokus gerückt sind.

Morgen früh beim Sonnenaufgang beginnt übrigens der Fastenmonat Ramadan. Es gab auch Gerüchte, dass der Gezi-Park deswegen heute eröffnet wurde, damit es im Park Iftar-Zelte geben könne. Iftar ist das Fastenbrechen am Abend, d.h. beim Sonnenuntergang treffen sich viele an öffentlichen Plätzen oder in Parks und essen gemeinsam. Die Zelte soll es laut Mutlu aber nicht geben.

Allen friedlichen Fastenden wünsche ich einen schönen Ramadan!

© janavar

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