Meine Theorie ist, dass, wenn eine sehr große Liebe zu Ende geht, man hinterher nicht mehr miteinander redet, weil es für große Lieben kein wirkliches Ende gibt, sondern nur Entscheidungen dagegen. Manchmal sogar aus nachvollziehbaren Gründen, die man dennoch nicht immer akzeptieren will. Was aber, wenn es sich bei dieser Liebe um eine Stadt handelt. Um Istanbul.
My theorie is that, when a great love ends, you don’t talk to each other afterwards anymore because there isn’t any real ending for great loves, only decisions against them. Sometimes the reasons are even understandable, even if you don’t want to accept them. But what if this great love is a city. If it is Istanbul.
Wenn ihr das lest, sitze ich auf dem Flughafen in Rom und warte auf meinen Anschluss nach Istanbul. Fast ein halbes Jahr ist es her, dass ich in Istanbul ins Flugzeug stieg und fest der Überzeugung war, dass ich unsere Beziehung für beendet erklärt habe und erst wieder zurückkomme, wenn ich alt und faltig bin. Nun bin ich zwar etwas älter, dank meiner neuen Retinolpflege aber eher weniger faltig.
When you read this, I am at the airport in Rome waiting for my connecting flight to Istanbul. It has been almost half a year since I climbed in the airplane in Istanbul, and I was utterly convinced that I had declared our relationship to be finished. I would only return when I was old and wrinkly. Well, I am a little older now, but thanks to my new retinol skin care rather less wrinkly.
Es ist nicht einfach, die Liebe zu Istanbul zu beenden. Ich habe in diesem halben Jahr gelernt, dass es das Schwerste auf der Welt ist, eine Entscheidung gegen die große Liebe zu treffen. Dass es Sinn ergibt, besser keinen Kontakt mehr zu ihr zu haben. Ich habe hundert gute Gründe, warum ich gegangen bin, warum diese Beziehung hier mit Cambridge eine richtig gute und solide ist. Aber ich vermisse die Stadt täglich. Den absoluten Tiefpunkt hatte ich im November erreicht, als ich mitten in Manhattan im Simit Sarayi – einer türkischen Cafékette – saß, çay und türkischen Kaffee schlürfte und furchtbares Heimweh hatte. Also habe ich beim nächsten Telefongespräch mit meiner Freundin mich halb selbst eingeladen und schnell Flüge gebucht. Nicht, dass sie es sich noch einmal überlegen und ihr Gästezimmer anders vergeben würde.
It is not easy to put an end to my love for Istanbul. I have learned during those six months that it is the hardest thing in the world to decide against your great love. That it makes sense to better not have any contact with it anymore. I have a hundred great reasons why I left, why my relationship with Cambridge here is really good and solid. But I miss that city every single day. I hit rock bottom in November when I sat in the middle of Manhattan in Simit Sarayi – a Turkish cafe chain – drank çay and Turkish coffee, and felt very very homesick. So I kind of invited myself when I called my friend the next time, and booked flights quickly. So that she wouldn’t think about it once more and maybe reserve her guest room for somebody else.
Ich vermisse die Muezzine, auch wenn sie manchmal ganz schrecklich singen. Die würzige Luft, auch wenn sie eigentlich nur dreckig ist und bestimmt auch noch kalt und feucht wie jeden Winter. Das Feuer in den Menschen, auch wenn es mich wieder nerven wird, dass mich viele einfach ansprechen. Streitende Menschen mitten auf der Straße, solange ich nicht dazugehöre. Den Trubel überall, dass Menschen auch nachts um drei einfach so spazieren gehen. Das Essen. Die Basare. Die Hamams. Den Bosporus und die Delfine. Die Istiklal Caddesi und Bostanci. Die netten Straßenhändler. Die Teegärten und Straßencafés. Die Clubs. Das Leben.
I miss the muezzins, although they often sing terribly. The spicy air, even though it is actually only dirty and now probably cold and wet like every winter. The fire inside the people, although it will get on my nerves that many will try to chat me up. Arguing people in the middle of street, as long as I am not part of them. The hustle and bustle everywhere, that people just take a walk even at three in the night. The food. The bazaars. The hamams. The Bosphorus and the dolphins. Istiklal Caddesi and Bostanci. The nice street sellers. The tea gardens and sidewalk cafes. The clubs. Life.
Wie es wird? Ich habe keine Ahnung. Eine aufgewärmte Liebe ist nichts, sagen sie. Aber wer weiß das schon, wenn es sich um die große Liebe handelt. Ich glaube an zweite Kapitel.
Bis zum 3. Januar werde ich also in meinem geliebten Istanbul verweilen und von dort bloggen, bevor sie mich wieder zurück nach Cambridge schicken, das ich übrigens auch sehr mag. Ihr könnt meine Reise auch auf Instagram: janavar_net und Snapchat: janavar mitverfolgen.
What is it going to be like? I don’t have any clue at all. They say it isn’t worth to rake up an old love story. But who’s to say when it is that great love. I believe in second chapters.
Until 3 January I am staying in my beloved Istanbul and blog from there before they send me back to Cambridge, which I also like a lot by the way. You can follow my trip also on Instagram: janavar_net and Snapchat: janavar.
© janavar
Ah liebe Janavar,
ich kann Dich so gut verstehen. Einmal verliebt in diese Stadt und sie lässt einen nie wieder los. Meine Eltern kommen aus Istanbul. Ich bin im schönen Nürnberg groß geworden und sie ist meine Heimat. Ich habe am Ende noch nicht mal so lange am Stück in Istanbul gelebt wie Du, aber alle meine Sommerferien da verbracht, Verwandtschaft besucht, mich verliebt, geweint, gelacht und zig Abenteuer erlebt. Und die Delfine…
Für mich bleibt Istanbul das Produkt einer Liebe zweier Kontinente. Ich wünsche Dir ganz viel Spaß und grüß mir die Möwen und iss für mich Gözleme in Ortaköy 🙂
Grüße aus dem für Weihnachten zu warmen Nürnberg 🙂
Sibel
Danke, liebe Sibel! Die Möwen habe ich schon gegrüßt, aber in Ortaköy war ich noch nicht. Ich treffe so viele Freunde, dass ich gar nicht so viel von Istanbul sehe … aber das kennst du sicherlich auch.
Ich hoffe, du hattest schöne Weihnachten, und ich wünsche dir schon einen guten Rutsch!
Ich habe mal für zwei Monate in Istanbul gewohnt und Deutschland war dann schrecklich ruhig und grau…. Selbst im Winter hat man in Istanbul strahlenden Sonnenschein und einfach einen hellen Tag und ne dunkle Nacht.
Nach drei Jahren war ich letzte Woche wieder in der Stadt. An all meinen liebsten Orten, habe wieder neue entdeckt, mir Eis bei Mado gegönnt und einen türkischen Kaffee mit Damla Sakizi getrunken. Es war wunderbar.
Aber dieses Mal herrscht kein feuchter Winter, findest du nicht auch?
Liebst, Charlotte von Come as Carrot
Hallo Charlotte,
ja, dieses Jahr ist wieder ganz anders. Es ist bisher warm und sonnig und furchtbar viel Smog über der Stadt. Aber ab morgen soll es kalt werden und vielleicht sogar kräftig schneien. Darüber würde ich mich auch total freuen.
Vielleicht ist es doch möglich zu einer ehemals großen Liebe eine solide Freundschaft zu pflegen. Bei Städten kann ich mir das vorstellen. 😉