Am 23. April gibt es in der Türkei jährlich den Feiertag der Nationalen Souveränität und des Kindes (Ulusal Egemenlik ve Çocuk Bayramı), da an eben diesem Tag im Jahre 1920 das erste Parlament unter der Führung Mustafa Kemal Atatürks konstituiert wurde. Seit etwa zwei Tagen hängen viele Türken die Flagge aus ihren Wohnungsfenstern. Schon gestern gab es in den Schulen einen besonders feierlichen Fahnenappell zum Feiertag. Ehrlich gesagt habe ich mich in diesem Jahr davor gedrückt, zumal es für uns sowieso keine Übersetzung gibt. Ansonsten hatte ich in diesem Jahr Glück, dass der Tag auf einen Dienstag fällt, denn der ist mein arbeitsreichster Tag der Woche. Weil die Sonne so schön schien, hat der Lieblingsmensch vorgeschlagen, dass wir heute zwei Stadtteile weiter nach Florya mit dem Auto fahren. Florya ist ein hübscher, wohlhabener Stadtteil (viele Häuser dort haben einen Swimming Pool im Garten – ich will auch!!!) in Europa, direkt am Marmarameer und in der Einflugsschneise des Atatürk Flughafens.
Also sind wir heute früh um zehn nach Florya gefahren und haben nach einem Frühstück in dem relativ neuen Aqua Park-Einkaufszentrum, wo man auch kostenlos parken kann, einen langen Spaziergang unternommen. Nach so vielen Stunden draußen haben wir beide einen hübschen ersten Sonnenbrand im Gesicht, sind aber natürlich selbst schuld. Ich hatte meine Tagescreme mit UV-Schutz extra weggelassen, weil ich dachte, dass ich sonst vielleicht gar keine Farbe bekomme.
Heute zeige ich euch einen Teil der Bilder – dem Tag entsprechend die von Atatürks Haus am/im Meer. Zufällig haben wir nämlich die Wegweiser dorthin gesehen und der Lieblingsmensch erinnerte sich, dass Atatürk die letzten drei Sommer seines Lebens dort verbrachte. Wegen seiner fortschreitenden Krankheit, Leberzirrhose, baute und schenkte ihm die Stadtverwaltung Istanbuls 1935 das Haus zur Erholung. Gestorben ist 1938 dennoch an der kaputten Leber – übrigens wegen zu viel Alkoholgenuss. Heutzutage ist das Haus im Meer ein Museum und wegen dem Feiertag heute war der Eintritt frei.
Um das Haus herum befinden sich ein hübscher Strandabschnitt, einer der wenigen in Istanbul, sowie (Ferien-?)Wohnungen, die den türkischen Parlamentsmitgliedern zur Verfügung stehen. Außerdem gibt es dort einen kleinen Spielplatz und ein Café, diesen Teil kann man jeder Zeit kostenlos besuchen. Zu Atatürks Haus selbst gelangt man über eine Holzbrücke. Drinnen darf man keine Fotos machen, aber draußen wurden wir sogar aufgefordert, dies zu tun. Die Museumswächter haben alle Besucher heute in sehr kleinen Gruppen durch das Haus geführt und ein paar Informationen gegeben.
Wir konnten Atatürks Sitzungszimmer, sein Schlafzimmer sowie die seiner Adoptivkinder, das Gästezimmer und sämtliche Badezimmer sehen. Angeblich sind alle Möbel Originalstücke, wobei mir aufgefallen ist, dass alle Betten bis auf das im Gästezimmer sehr kurz sind. Auch die Toilettenbecken erschienen mir sehr niedrig. Atatürk genießt in der Türkei einen riesigen Personenkult, weshalb unser Museumsführer wirklich bei allem stolz berichtete, dass alles Originale seien, die Atatürk selbst benutzt habe – die Waschbecken, die Toiletten, das Bett, zweimal Silberbesteck, einen Bademantel (made in Germany), eine Badehose …
An den Wänden hängen Bilder von Atatürk am Strand mit dem einfachen Volk, im Boot mit zwei Adoptivtöchtern … Manchmal trägt er einen Bademantel, manchmal einen Männerbadeanzug, manchmal ein schwarzes Unterhemd und eine schwarze Badehose … Dummerweise habe ich mich ein winzig kleines bisschen darüber lustig gemacht und ganz am Ende hat einer der Museumsführer draußen in bestem Deutsch zu mir gesagt, ich könne jetzt Bilder machen. Öhm!
In Florya lohnt sich der Besuch dieses Museums aber auf jeden Fall, schon weil es so idyllisch gelegen ist. Selten findet man in Istanbul so viel Natur und normalerweise schon gar nicht ohne dreißig Großfamilien, die auf dem Rasen grillen. Hier aber ist es ruhig und man kann sogar das Wasser an den Strand plätschern hören. Während der Strand früher für das ganze Volk geöffnet war, ist er jetzt leider gesperrt, allerdings habe ich nicht verstanden warum und der Lieblingsmensch macht gerade ein Nickerchen. Andererseits sagen die meisten sowieso, dass das Marmarameer hier viel zu dreckig sei, um darin zu schwimmen. Schade, denn laut den Bildern war das zu Atatürks Zeiten noch ganz normal und ein erfrischendes Erlebnis.
© janavar