Die gute Nachricht: ab heute habe ich wegen des Opferfestes eine Woche frei.
Die nicht unbedingt gute Nachricht: nun muss ich mich eine ganze Woche lang selbst ernähren, während ich sonst täglich ein zwei- oder drei-Gänge-Mittagessen auf Arbeit bekomme. Das Experiment Selbstkochen in Istanbul könnte sich natürlich auch als positiv herausstellen, genug Nahrungsmittel gibt es jedenfalls. Hier in Beyoğlu (der Stadtteil, in dem ich wohne) gibt es unendlich viele Supermärkte, z.B. Bim, Dia, Namli oder auch die französische Kette Carrefour, sowie die kleinen Händler in den richtigen Wohngebieten (heißt es dann eigentlich “Onkel-Emmanuel-Laden”, weil dort nur Männer arbeiten?). Aber da ich eben sehr zentral und daher in der Touristengegend lebe, fehlt hier ein wichtiger Bestandteil des türkischen Lebens: der Markt.
Eine Kollegin erklärte mir in der Woche den Weg zum Samstagsmarkt im nächsten Stadtteil Beşiktaş und dort im Viertel Muradiye Mahallesi. Wegen des weiterhin fantastischen Wetters marschierte ich heute früh (nun ja, ehrlich gesagt war es kurz vor elf) in Richtung Markt, unten am Bosporus entlang, vorbei am Dolmabahçe Palast und dann links hoch (oder auch einfacher: der Markt befindet sich am Ende der Nüzhetiye Cadessi in der Nähe des Dünya Barış Parkı).
Etwas durchgeschwitzt stürzte ich mich ins Marktgetümmel und stellte als erstes fest, dass ich abgesehen von einer etwa dreißig Jahre älteren Dame die einzige Frau war, die ein kurzes T-Shirt trug (da hatten wir wohl beide Hitzewallungen). Mit Ausnahme eines Jungen, der mir alle drei Minuten seine fünf Zitronen unter die Nase hielt, behandelten mich aber die Händler genauso wie alle anderen Kunden.
Der Markt befindet sich in einem wohl nie zu Ende gebauten Parkhaus und ist mit Planen bedeckt.
Im Eingangsbereich finden sich die Obst- und Gemüsestände, dahinter folgen die Käse- und Nusshändler, schließlich kommen die Haushaltsgegenstände und ganz hinten Kleidung. Interessanterweise haben Männer keine Scheu, neue Hemden mal eben vor allen Leuten anzuprobieren und dabei ihren nackten Oberkörper zu präsentieren – was sie aber nicht davon abhält, meine nackten Arme kritisch zu beäugen.
Menschenmassen schieben sich über den lauten, nach Zitrusfrüchten und frischen Tomaten duftenden Markt, viele ziehen Einkaufstrolleys hinter sich her und einige ältere Männer tragen geflochtene Kiepen auf dem Rücken.
Nachdem ich mir einen Überblick verschafft hatte, kaufte ich begeistert Kleiderbügel, Avocados, Oliven, Eier, Champignons, Kartoffeln, Esskastanien und Fisch. Die Lebensmittel sehen auf dem Markt einfach viel besser aus als im Supermarkt, und das sogar ohne künstliches Licht. Außerdem sind sie hier auch viel günstiger. Champignons gibt es in den meisten Geschäften nicht einmal und wenn sehen sie aus wie zehn Jahre alt. Zu Gute kam mir auf jeden Fall, dass ich endlich die Zahlen auf Türkisch beherrsche, also wenigstens die bis neuundneunzig. So konnte ich auf die Ware zeigen, die Menge nennen und auch den Gesamtpreis verstehen. Ich kenne natürlich keine anderen Lebensmittelmärkte, aber hier hatte jeder Händler den Kilo- bzw. Stückpreis deutlich sichtbar ausgehängt, handeln fällt somit flach, aber das liegt mir ohnehin nicht besonders. Im Vergleich zu den türkischen Käufern verlangte ich nur winzige Mengen. Meine fünf Eier wurden daher in einer Plastetüte verpackt und ich bin immer noch überrascht, dass ich sie heil nach Hause bekam.
Am Ende schaute ich mir das Angebot des einzigen Fischhändlers an und kaufte drei Fische, von denen ich gar nicht weiß, wie sie heißen. Im Supermarkt ist Fertigfisch von Iglu extrem teuer (zwei Lachssteaks kosten 14 Lira), während mein heute gewählter Fisch pro Kilo 15 Lira kostet. Zum Glück gehört es zum Service, dass der Fischhändler die Fische direkt vor Ort ausnimmt.
Auf dem Rückweg kaufte ich noch frisches Brot beim Bäcker und nahm dann einen Bus zurück zum Taksim, weil die Tüten ziemlich schwer waren.
Am liebsten hätte ich noch viel mehr gekauft, aber leider habe ich noch keinen Kühlschrank und bei dem Wetter hält sich nichts ewig. Aber nächsten Sonnabend bin ich garantiert wieder auf dem Markt, um knackigen Brokkoli und Blumenkohl, vielleicht auch grüne Tomaten und bereits geschälten Kürbis zu holen.
Ach ja, Fotos wollte ich eigentlich auch machen, aber das ist mir erst wieder eingefallen, als ich bereits beide Hände voll hatte und auf meine rohen Eier aufpassen musste.
© janavar
(erstmals veröffentlicht am 13. November 2010)