Zwar hatte ich eine Woche frei, aber Zeit zum Erholen hatte ich nicht. Statt endlich mehr von der Stadt zu sehen oder das Jogastudio in der nächsten Straße auszuprobieren, habe ich Kartons ausgepackt, Schränke eingeräumt, Möbel gerückt, Möbel gekauft, Möbel aufgebaut, geputzt und einiges für meinen Job nachgearbeitet und vorbereitet. Da freue ich mich richtig, dass ich morgen wieder zur Arbeit kann, denn dort gibt es kein Kartonchaos, keine immer noch ungeputzten Fenster und endlich wieder von anderen gekochtes Mittagessen – quasi einen geregelten Alltag.
Trotz allem habe ich in dieser freien Woche einiges Neues gelernt und erkannt:
- Ikea hat in Istanbul einen fantastischen Lieferservice.
- Dafür ist mir die Aufbauanleitung meines neuen Sofas absolut unverständlich und völlig unklar ist weiterhin, wie die Schrauben in mein Aluminiumbalkonregal passen sollen. Manchmal wäre es gar nicht schlecht, wenn ich doch Leute um Hilfe bitten würde, was ich nicht gewohnt bin zu tun. Nie.
- Ich habe meine Bücher (neun Bücherkisten voll) vermisst und freue mich, dass sie endlich im Regal stehen.
- Mit der Musik der Playlist meines großen PCs im Hintergrund arbeite ich tatsächlich viel effektiver. Ich glaube, das nennt man Konditionierung.
- Wenn man hier im Supermarkt Hähnchenbrust kauft, ist es eine komplette und die ekligen Reste hängen auch noch alle dran. Aber mein selbstgekochtes Essen schmeckt. Immerhin!
- Ich bekomme Falten und zwar so richtig sichtbare, jedenfalls im Spiegel mit doppelter Vergrößerung. Ich schiebe das auf den Stress der letzten Wochen und die schlechte Istanbuler Luft (die Gene sind es definitiv nicht). Ich muss etwas dagegen unternehmen und zwar sofort! Ratschläge sind dringend erbeten!
- Apropos schlechte Luft: Darin ist soviel Feinstaub enthalten, dass z.B. die strahlenden Farben meines Mobiles auf dem Balkon nach knapp vier Wochen unter einer grauen Staubschicht kaum noch zu erahnen sind. So wird das aber nichts mit dem Einhalten von EU-Richtlinien!
- Das Opferfest führt zu einer wunderschönen Ruhe, solange man nicht shoppen geht, denn das macht anscheinend ganz Istanbul an diesen Tagen. Aber in meinem Wohngebiet ist es ruhiger, viele Läden sind einfach mal geschlossen.
- Versehentlich bin ich an einer Zoohandlung vorbeigekommen, wo Welpen verkauft wurden. Der winzige Rehpinscher war so dermaßen niedlich, dass ich ihn mir immer noch wünsche. Sobald ich hier mal zur Ruhe gekommen bin, könnte das was mit uns werden … den würde ich sogar meinem zukünftigen ersten Paar Manolos vorziehen!
- Allerdings habe ich da vorgestern diese wundervollen handgefertigten silbernen Peeptoes im Schaufenster gesehen, die gerade einmal 30€ kosten. Leider war das Geschäft wegen Bayram geschlossen.
- Es war eine falsche Information, dass jedes Haarspray hier sehr teuer ist. Ich suchte und fand in der Türkei produziertes, das günstig und super ist.
- Es ist gut, wieder zur Arbeit zu gehen und die virtuelle Welt für eine Weile hinter mir zu lassen – ich habe diese Woche nämlich Twitter entdeckt. Aber ich freue mich ohnehin richtig darauf.
- Und schließlich: ich lebe in der drittgrößten Stadt der Welt. Wie geil ist das denn! Ich habe genau das geschafft, was ich seit meinem elften Lebensjahr wollte: ich bin ausgewandert – und es gefällt mir ausgezeichnet! ICH LIEBE ES. Was nicht heißt, dass ich niemanden vermisse (an dieser Stelle liebe Grüße an meine Eltern!), aber Heimweh ist mir unbekannt.
- Letzter Punkt: Das Schreiben dieses Blogs bereitet mir enorm viel Spaß und ich werde es auch während der nicht-freien Zeit fortsetzen. Bleibt dran!
© janavar
(erstmals veröffentlicht am 21. November 2010)