Huih, zum Glück sind die letzten drei Wochen um: erst der Umzug; dann so viel Arbeit, dass Y. oft erst abends um zehn von der Arbeit nach Hause kam (los geht’s für ihn jeden Morgen mit dem Servicebus um halb sieben) und dass ich bis Mitternacht zu Hause arbeitete – nur noch nicht am Schreibtisch, weil für das komplette Einräumen des Arbeitszimmers bisher keine Zeit blieb. Internet hatten wir auch eine Weile nicht, weil die Türk Telekom uns zwar innerhalb eines Tages einen Techniker schickte, der das Telefon anschloss, sie aber vergaßen, unseren Umzug ihrer Technikzentrale zu melden, so dass das Internet nicht wie erhofft, innerhalb von wenigen Tagen automatisch freigeschaltet wurde … und ohne Internet gab es auch kein tivibu (mein unser IP-TV) und so lebte ich auch etwa eineinhalb Wochen ohne RTL und Sat1 und kann jetzt bestätigen: ein Leben ohne die zwei Sender ist möglich! Wenn auch ein wenig langweilig, zumindest in einer so starken Stressphase wie der letzten …
Der Kater ist ebenfalls vom Umzug gestresst und hat angefangen, mich so oft wie möglich zu beißen und zu ärgern. Mittlerweile sehen meine Schienbeine und Füße schwer beschädigt aus und in meinem linken Zeigefinger kann man genau zwei kleine Löcher von Katerzähnchen sehen. So kommt die Wassersprühflasche auch endlich wieder zum Einsatz. Ansonsten liebt er aber seinen neuen Abenteuerspielplatz und rast gern zwischen den letzten Umzugskartons umher oder springt auf den Wäscheständer auf dem Balkon und sonnt sich oder beobachtet ganz genau die Öffnung zum Lüftungsschacht im Bad, von wo sehr lautes Vogelgezwitscher ertönt. Nachts schläft er brav auf meinen Beinen und Y. ignoriert er weitesgehend.
Ich jedoch liebe bereits unsere neue Wohnung im schönen Bakırköy, denn in unserer, der “Traumstraße” ist es so schön ruhig. Seitdem wir hier wohnen, ist endlich der Frühling nach Istanbul gekommen und in seltenen freien Minuten spazieren wir zur Marina (wenn auch nur zum Mischbrotkaufen bei der Bäckerkette Komşufırın). Jeden Sonntag um halb elf läutet jemand per Hand die Glocke der katholischen Kirche in der Straße. Den Aufruf zum Gebet des Imams von der großen, neuen Moschee um drei Ecken kann ich am besten und lautesten im Bad durch den Lüftungsschacht hören. Der Gemüsehändler hat herausgefunden, dass ich Deutsche bin, was ihm offensichtlich genehm war. Die Nachbarn haben sich noch nicht bei uns über was auch immer beschwert (nicht so wie meine vorherige, streitsüchtige Unternachbarin). In der nächsten großen Straße, der Istanbul Caddesi, gibt es Bäcker, Friseure, Supermärkte, Gemüsehändler, Banken, Schlachter, Imbissstuben … nur keine einfache Möglichkeit Rechnungen zu bezahlen, wie ich bei einem Selbstversuch erfuhr, denn der im Internet angegebene Kiosk befand sich in einem gerade leeren, aber renovierten Gebäude, in den Banken kann man keine Wasserrechnungen bar bezahlen, in der einen Bank sowieso gar keine Rechnung, und in der zweiten Bank stürzte das System genau da ab, als ich dran war … im nächsten Monat haben wir hoffentlich alles wieder “otomatik” (Bankeinzugsverfahren).
Jeden Morgen laufe ich über ebene, gleichmäßig gepflasterte Straßen mit breiten Gehwegen zur nächsten Haltestelle der Vorortbahn und stehe in der Bahn mit dem bei Istanbulern schlechten Ruf (konnte bisher noch nicht herausfinden, warum wirklich), die zwar voll, aber weniger sardinenkistig ist als die Straßenbahn. Auf fast der gesamten Strecke kann man das glitzernde Marmarameer mit den Tankern sehen, direkt zwischen unserer (Yenimahalle) und der nächsten Haltestelle die größte und älteste Pferderennbahn des Landes, das Veliefendi Hipodromu, wo morgens auch oft Reiter und Pferde trainieren; ab Yedikule fährt der Zug auf bzw. neben der uralten Stadtmauer, die an einigen Stellen erhalten, an anderen Ruine oder restauriert oder manchmal gar nicht mehr vorhanden ist. Jeden Tag entdecke ich neue Details auf dem Weg zum Bahnhof Sirkeci: Parkplätze, Baustellen, Kirchen, Moscheen, hübsche neue oder restaurierte Gebäude, heruntergekommene Holzhäuser, Holz-und-Planen-Verschläge mit Satellitenschüsseln draußen dran … Wenn die Luft klar ist, kann ich die Prinzeninseln erkennen und sogar die Küstenlinie und die dahinterliegenden Berge bei Yalova.
Und so vergesse ich dann auch den ganzen Stress und bin einfach voller schöner Liebe für Istanbul und den Frühling und den Kater und Y. (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge) 🙂
© janavar
Oh, was für ein schöner letzter Satz! Toller Text, sehr interssant und irgendwie voller Heimatgefühl. Viele, viele Grüße, Cali
Dankeschön :-). Ich mag Istanbul auch wirklich, es ist für mich die schönste Stadt der Welt. Liebe Grüße, Jana
Gebe Cali recht…..sehr schön geschrieben. Konnte mich richtig mit spazieren sehen 🙂 Und der letzte Satz ist super!!! 😀 Ich freue mich, daß Dein Umzug gut gelaufen ist und wünsche Dir eine traumhafte Zeit in Deinem neuen Zuhause.
Ich bin auch froh, dass der Umzug gut und vorbei ist :-). Danke für die Wünsche, fühle mich schon richtig wohl in der neuen Wohnung 🙂