Seit Jahren bin ich ein riesiger Fan von “Sex and the city” – Kunststück, wenn man wie ich Schuhe, Kleidung, Handtaschen, kurz Shopping liebt und mitten in einer der größten Städte der Welt lebt (genaugenommen sogar in der viertgrößten der Welt, wenn man die Vororte der anderen Metropolen nicht mitzählt). Gut, ich habe leider keine mietpreisgebundene Wohnung, nach Mr. Big könnt ihr in zehn Jahren noch mal fragen und so richtig cool und in ist mein Beruf auch nicht, aber dennoch ist mein Leben in letzter Zeit mehr Sex and the city als Jogginghose @ home.
Mit meiner Freundin Ema feiere ich die Stadt, das Leben und viel zu oft die Dekadenz. Immerhin verhindert der frühe Istanbuler Winter, dass wir noch Tage auf Suada, der künstlichen Insel mit Swimmingpool im Bosporus, verbringen können, wo der Eintritt je nach Tag sechzig bis neunzig Lira kostet. Neulich fuhren wir abends spontan zum Four Seasons Hotel, in dessen direkt am Bosporus gelegenen Garten wir alkoholfreie Cocktails tranken, die Schiffe auf dem Wasser, die Autos auf der Brücke und die Lichter im fernen Asien beobachteten. Glaubt mir, dass Four Seasons ist chic, chic, chic und chillig und eigentlich nur ein klein wenig dekadent. Okay, die Portiers öffnen einem höflich die Taxitür, im Foyer spielt eine Dame Klavier und riesige Kronleuchter erhellen den ursprünglich osmanischen Palast. Aber die Getränkepreise sind in Ordnung, die dazu servierten Nussportionen riesig. Später in dieser Nacht entdeckten Ema und ich im Anjelique, einem Club in Ortaköy, ein Plakat, das Boy George als DJ ankündigte.
Letzten Freitag bereiteten wir uns dem Event angemessen vor: ich kaufte eine neue eindeutig-Totes-Tier-Handtasche bei Mango (Ema: “Oh, die war teuer. Bist du verrückt?” Ich: “Wurde nicht deine Kreditkarte letztens wegen zu viel Shopping gesperrt?”); brachte Ema zu meiner Lieblings-Brow-Bar; ging zum Friseur für einmal Waschen und Föhnen (“Ah, your hair çok güzel. Hair colour çok güzel. Orijinal? Really? Oh, very beautiful!”, so der begeisterte fünfundzwanzigjährige Friseur, der mich am Ende darum bat, dass er beim nächsten Mal meine Haare schneiden dürfe); und am Ende entschied ich mich für ein kurzes kurzes schwarzes Stretchkleidchen und meine neuen Highheels (jaaa, die neue Herbst-/Wintersaison ist fantastisch).
Als wir auf der Terrasse des Anjelique unter Heizpilzen saßen und unsere Cola schlürften, wurden wir ziemlich schnell angesprochen. Zu Emas Rechten gab es einen großen Boy George-Fan aus Düsseldorf, der extra eine alte CD für ein Autogramm mitgebracht hatte. Zu meiner Rechten saßen zwei Deutsche mit Pferdeschwanz trotz beginnender Glatzenbildung, von denen mir der eine groß erzählte, dass er als Geschäftsmann häufig nach Istanbul komme, viel durch die Türkei reise und bald vielleicht herziehen würde. Am nächsten Tag würde er gern mit uns ins europäische 360° gehen, wo er schon einen Tisch reserviert habe. Und überhaupt sei er noch bis Sonntag Abend in der Stadt, übrigens in einem tollen Hotel nicht weit entfernt von Ortaköy.
Später, als Boy George tatsächlich ab ein Uhr auflegte – und er war fantastisch – und Ema und ich den Deutschen entwichen waren und drinnen tanzten, lernten wir eine Gruppe von Spaniern und Deutschtürken kennen. Einer der Spanier war zwar klein, aber extrem selbstbewusst und tanzte uns an, indem er sein Halstuch erst um Ema, dann um mich schwang. Danach erzählte er mir, er sei “Businessman” und zum ersten Mal in Istanbul. Aber von nun an würde er etwa alle drei Monate in die Stadt kommen und jedes Mal in Fünfsternehotels wohnen. Außerdem sei er Single (“Yes, really, definitely, why are you questioning this?”) und fände mich heiß.
Ich fragte mich, ob es das war, was ich wollte. Wäre es nicht einfach, mit irgendeinem dieser “Businessmen” (sie scheinen nie Details über ihre Jobs zu geben) eine Affäre zu beginnen, in der es keine Fragen und keine Probleme geben würde, dafür chice Hotels, viel Aufmerksamkeit und eine Menge Abwechslung. Sind diese Affären nicht viel einfacher und praktischer als die ständigen Beziehungskämpfe? Ist Anstrengung nötig, wenn es eine schmerzlose Lösung gibt? Aber ich konnte mich nicht dafür entscheiden. Die Aufmerksamkeit ist die eine Seite, irgendwie reicht sie aber. Ich gehe vor Partynächten nicht zum Friseur, um reiche Männer abzuschleppen (bzw. mich abschleppen zu lassen), sondern um mich selbst wohl und schön wie ein kleines Sternchen zu fühlen. Ehrlich gesagt war mir viel wichtiger, dass Ema und ich so viel Spaß hatten, dass wir sogar Blickkontakt mit Boy George machten. So durften wir am Ende der Nacht sogar ein Foto mit ihm zusammen machen und erfuhren, dass sein Makeup von Mac stammt. Und ja, zugegeben, sein Makeup war eindeutig das Beste. Der Mann kann sich präsentieren!
Noch später in der Nacht fuhren Ema und ich mit dem Taxi nach Hause, die deutschen Geschäftsmänner hatten wir abgewimmelt, der Spanier musste alleine – oder sagen wir mal zumindest ohne mich – zurück ins Hotel gehen und ich freute mich, als ich meine Wohnung aufschloss, mein Kater mich schwanzwedelnd und schnurrend erwartete und sich auf meinen Beinen zusammenrollte, als ich in meinem großen Bett alleine einschlief. Meistens ist dieses Leben, mein Istanbul einfach mehr the city als the sex. Aber immer voller Liebe!
© janavar
(erstmals veröffentlicht am 17. Oktober 2011)