Auch in Istanbul wird es langsam Herbst. In erster Linie macht sich das daran bemerkbar, dass die Sommerferien nach fast drei Monaten enden und am Montag alle staatlichen Schulen wieder mit dem Unterricht beginnen. Die Familien kehren spätestens an diesem Wochenende von ihren Sommerhäusern am Meer zurück in ihre Istanbuler Stadtwohnungen. Die Jungen müssen alle zum Friseur, weil ihnen nur ordentliche Kurzhaarfrisuren erlaubt sind, sie müssen sich ihre drei Monate langen Barthaare rasieren, die Ohrringe abnehmen und sie tauschen ihre lässigen Jeans und T-shirts wieder mit der Schuluniform. Die Mädchen laufen nicht mehr in ihren kurzen Röckchen, Shorts oder mit Legging und T-shirt herum, andere nehmen am Schultor ihre Kopftücher ab. Der Verkehr wird noch dichter, weil sich dazwischen die kleinen Schulbusse durchschlängeln.
Auch die Temperaturen ändern sich. Die Tage erreichen die 30 °C-Marke nicht mehr, in den Nächten gibt es bis auf wenige Ausnahmen weniger als 20 °C, so dass ich mittlerweile wieder eine Bettdecke in den Bezug gesteckt habe. Morgens und abends kann man gut mit Strickjacke oder Blazer zur Arbeit gehen, ohne zu schwitzen. Der Kater schläft wieder am Bettende und nicht mehr auf dem Boden im Durchzug auf dem Rücken mit von sich gestreckten Beinen. Überhaupt kann ich die Fenster gern schließen, denn die Wohnung heizt sich nicht mehr unangenehm auf.
Zum ersten Mal nehme ich in diesem Jahr die herbstlichen Veränderungen in Istanbul wahr. Vorher in Beyoğlu gab es abgesehen vom Bosporus so wenig Natur, dass ich die Jahreszeiten nur an den Temperaturen und der Anzahl der Touristenkreuzfahrtschiffe bestimmen konnte. Aber hier in Bakırköy gibt es Parks, Bäume an den Straßen, Sträucher in den Vor- und Hintergärten – und die bekommen allmählich bunte Blätter. An einigen Stellen fällt schon Laub auf die Wege.
Morgen vor zwei Jahren bin ich endgültig und ohne Rückflugticket nach Istanbul gezogen und abgesehen von den tagelangen Regenschauern im Oktober 2010 (das weiß ich so genau, weil alle meine Sachen acht Wochen beim Zoll auf mich warteten und ich extra losgefahren bin, um Gummistiefel und mehr Klamotten zu kaufen, weil die anderen alle feucht waren und nicht schnell genug trockneten) merkte ich nichts vom Herbst. Erst im November nahm ich an einer Fahrt in ein großes Naturschutzgebiet teil und war erstaunt, wie bunt die riesigen Wälder schon waren.
Ich mag den Herbst deshalb, weil er ein Übergang ist und sich so viel verändert. Die Natur leuchtet, die Luft riecht nach dem ersten großen Regen frischer und aromatischer. Auf einmal habe ich wieder Energie und nach den Sommerferien ein geordnetes Leben. Die Partyzeit beginnt wieder, schon weil alle Freunde endlich wieder in Istanbul sind. Zu Hause kann ich besser schlafen, weil es kühler und lange dunkel ist (etwa von 19:15 bis 6:45 Uhr). Sogar kochen und backen machen noch mehr Spaß, weil ich in der Küche nicht zerfließe. Die Fitnessstudiozeit beginnt dann im Oktober wieder für mich.
Im Winter gibt es dann die klarste Luft mit den schönsten Farben, aber im Herbst ist es an trockenen Tagen warm genug, um Bosporusfahrten oder lange Spaziergänge an der Küste zu unternehmen. Zumindest am Wochenende, denn in der Woche steht wieder viel Arbeit auf dem Programm – aber nach der langen Sommerferienzeit freue ich mich schon darauf.
© janavar
Du scheinst in Istanbul wirklich eine Heimat gefunden zu haben. Deine Beschreibung klingt schön. Ich würde auch gerne mal Istanbul besuchen. Es soll eine super tolle Stadt sein 😀
Liebe Mascha, du bist eingeladen, herzukommen, denn Istanbul ist eine sehr schöne Stadt 🙂
Ich freue mich sehr über die Einladung, Danke!! 🙂