Ich beginne mit einem Geständnis: ich bin nicht besonders gut im Freunde machen oder bleiben. Eigentlich bin ich darin sogar ziemlich miserabel. Von Zeit zu Zeit habe ich gute Phasen und bemühe mich wirklich um ein paar neue Freunde, aber insgesamt bin ich dabei eher erfolglos. Ich kann nicht direkt sagen, woran das liegt, aber es war schon immer so. Dabei kann ich ganz zauberhaft sein, wenn ich will, aber meistens bin ich doch lieber ganz direkt und vielleicht auch zu ehrlich. Eigentlich reichen mir auch meine wenigen richtig guten Freunde – nur manchmal hätte ich eben gerne mehr, weil es so toll aussieht, wenn andere so sozial und beliebt scheinen. Natürlich habe ich eine Menge Bekannte, denen ich aber nie so viel Zeit oder Vertrauen schenke.
Auch bei Schritt 2, Freunde bleiben, sammele ich ganz sicher keine Pluspunkte. Sobald ich gestresst bin oder es mir nicht so gut geht, stelle ich mich irgendwie tot und melde mich bei niemandem bzw. reagiere nicht mehr. Ich nehme an, dass meine Freunde sich mit den Jahren daran gewöhnt haben – zumindest beschwert sich niemand mehr. Eher fragen sie nach einiger Zeit mal nach, was gerade los ist. Dafür sind wir bei jedem Wiedersehen oder -hören sehr herzlich und knüpfen sofort wie da an, wo wir aufgehört haben.
Meine wenigen Freunde sind aus verschiedenen Phasen meines Lebens: Meine Freundin, die ich seit fast 25 Jahren kenne, war ja gerade zu Besuch hier. Wir haben uns im Kindergarten kennen gelernt. Eine andere Freundin kenne ich seit der fünften Klasse am Gymnasium. Wir drei treffen uns auch bei jedem meiner Heimatbesuche immer fast einen ganzen Tag lang – nur wir drei – zum Brunchen, Eisessen und Sektschlürfen, bis uns am frühen Abend jemand abholen und nach Hause fahren muss.
Es bleiben noch eine Freundin vom Studium, eine vom Referendariat und zwei in Istanbul. Plus zwei, mit denen ich in unregelmäßigen Abständen telefoniere. Macht acht. Acht Menschen, die ich jeder Zeit anrufen oder spontan vor ihrer Wohnung stehen kann. Von einer Freundin hier in Istanbul habe ich den Wohnungsschlüssel und sie meinen – man weiß ja nie -, von einer anderen liegen noch eine Jeans und ein T-Shirt hier, die sie mir neulich geliehen hat. Mein letzter Besuch hat aus meinen aussortierten Klamotten fast die Hälfte für sich und ihre Schwester mitgenommen. Sie ist mit mir shoppen und ins Kino und ins Hamam gegangen, weil wir uns beide dringend entspannen mussten/wollten.
Insgesamt scheine ich überhaupt kein Freundschaftsmuster zu haben, meine Freunde sind irgendwas zwischen 28 und 55 Jahren alt, sie sind Single, geschieden oder verheiratet, haben Kinder oder keine. Aber sie haben mich gemeinsam und insgesamt finde ich, dass wir uns in bestimmten Dingen sehr ähnlich sind – auch wenn die, die sich kennen, das für sich wohl abstreiten würden 🙂
Manchmal glaube ich sogar, dass es gut ist, dass ich alleine sein kann. Ich kann mich durchaus lange selbst beschäftigen, bevor ich mich einsam fühle. Und da es bisher niemand von uns in Istanbul geschafft hat, eine richtige Freundschaft mit einer Türkin aufzubauen (für Erklärungen wären wir alle sehr dankbar), selbst nicht meine perfekt türkisch sprechende Freundin, ist das auch wichtig. Besonders wenn man in einem anderen Land lebt, ist man auf seine richtigen Freunde angewiesen, weil sie einen an zu Hause erinnern oder an Normalität; die einen festhalten oder auffangen, wenn man selbst irgendwo zwischen allem steht und erst wieder suchen muss, wohin man gehört.
Und so nehme ich mir vor, mich häufiger bei meinen Freunden zu melden. Auch in Stressphasen. Auch wenn ich 100 andere Dinge im Kopf habe. Ihnen manchmal auch nur einen kleinen Gruß zu schicken, damit sie wissen, dass ich an sie denke, egal wo sie gerade leben. Dass ich sie brauche, auch wenn ich gut alleine sein kann. Dass ich sie vermisse und gerne habe, weil sie tolle Menschen sind. Meine tollen Menschen.
© janavar
Hey, mach’ Dir mal keine unnützen Gedanken! Wenn Du nicht mehr Freunde brauchst, dann ist es okay. Überhaupt zählt nicht die Quantität. Wie bei allen “Liebesbeziehungen” zählt bei Freundschaft auch die Qualität.
Ich habe zwei sehr gute Freundinnen, eine seit dem Kindergarten, die andere seit der ersten Klasse. Mit denen bin ich in sehr engem Kontakt. Dann gibt es noch ein paar Freundinnen, mit denen ich selten Kontakt habe, aber wenn, dann ist es immer herzlich und als wäre gar keine lange Zeit zwischen unseren Treffen vergangen.
Dafür habe ich eine relativ große eigene Familie und Luigis große Familie ist nun auch noch dazu gekommen. Irgendwann braucht man dann auch noch Zeit für sich selbst und seinen Partner… ich wüsste gar nicht, was ich mit noch mehr Freunden anfangen sollte. 😉