Gelesen: “Selam Berlin” von Yadé Kara

Yadé Kara: “Selam Berlin”
2003
384 Seiten, 10,90 €

Das sagt der Klappentext:

“Die Geschichte Hasans, neunzehn, der mit seiner Familie jahrelang zwischen Bosporus und Spree hin- und hergependelt ist und der am Tag des Mauerfalls beschließt, Istanbul zu verlassen und ganz nach Berlin zurückzukehren. Ein atemberaubend tragikomischer Roman voll farbigster Charaktere und Episoden aus Ost und West. Er handelt vom Erwachsenwerden, von Freundschaft, von der Suche nach der großen Liebe, von Verrat und Identität. Ein kosmopolitisches Buch, das Klischees aufzeigt und zerstört.”

Der Ich-Erzähler Hasan Kazan fliegt direkt nach seinem Abitur und kurz nach der Maueröffnung zu seinem Vater nach Berlin, der dort in Kreuzberg mit seinem besten Freund Halim ein Reisebüro führt. Er hat keine Ahnung, was er eigentlich machen will mit seinem Leben, außer immer mitten dabei zu sein. Vielleicht will er Architektur studieren, doch vorerst arbeitet er Dreharbeiten mit Möchtegernfilmemachern mit. Sowieso ist seine höchste Priorität Sex zu haben. Doch dann findet er heraus, dass sein Vater seit fast zwanzig Jahren eine Beziehung mit einer ostdeutschen Frau führt und auch einen Sohn mit ihr hat. Dies wirft nicht nur ihn, sondern besonders seine Mutter aus der Bahn, die in Istanbul in Depressionen verfällt und dann droht, die Familienwohnung dort zu verkaufen und sich von dem Geld ein schönes Leben auf einer der Prinzeninseln im Marmarameer vor der Stadt zu machen.

Ich fand das Buch, das 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis ausgezeichnet wurde, unglaublich gut, weil es interessant und spannend geschrieben ist. Es hat mich in eine Zeit geführt, die ich so nicht kenne und mir als DDR-Kind ist zum ersten Mal richtig bewusst geworden, dass die Deutsch-Türken lange vor den Ostdeutschen in der Bundesrepublik waren. Und dass Türken in Ostberlin waren und auch “geheime” Beziehungen führten, war mir gänzlich unbekannt. Der Lieblingsmensch hat mir aber bestätigt, dass Türken schon davon wissen.

Die Beschreibungen vom Berlin zur Wendezeit mochte ich besonders, weil offenbar alles im Umbruch war, so wird aus dem Reisebüro auch spontan ein Obstladen, weil man damit in dem Moment mehr Geld verdienen kann. Dabei bleiben die Figuren im Buch immer authentisch und entwickeln sich nachvollziehbar, auch wenn alles aus der noch etwas pubertären Sicht Hasans geschrieben ist.

Einfach die Idee der deutsch-türkischen Autorin Kara, Integrationsgeschichte mit der deutsch-deutschen Geschichte zu verbinden, finde ich toll und öffnet die Augen – auch dass viele Neonazis aus dem Osten nach Berlin strömten, wo die Migranten vorher nicht so vielen Anfeindungen ausgesetzt waren.

Es gibt noch einen zweiten Band, in dem Hasan wohl weiter nach London zieht, “Café Cyprus”. Den werde ich mir auf jeden Fall bald kaufen.

© janavar

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