Bye bye, Taksim! Merhaba Bakırköy!

Am Sonnabend war ich das letzte Mal in der alten Wohnung. Trotz der Freude über die neue Wohnung, wurde ich doch ein bisschen melancholisch: schließlich war es meine erste Wohnung in Istanbul, da, wo ich die ersten acht Wochen nur auf einer Luftmatratze schlief, einen Tisch und vier Stühle von den Vermietern und je nur eine Tasse, einen Teller, einmal Besteck hatte, weil der Zoll meine Sachen nicht rausrückte, so lange nicht alle Dokumente vorhanden waren, die aber von den zugehörigen Ämtern falsch oder langsam bearbeitet wurden. Wo ich zu Anfang zu einem Sit-in einlud und wir ja wirklich nur auf vier Stühlen, einer Luftmatratze und ein paar Decken sitzen konnten. Die Wohnung, in der ich in der ersten Nacht dort morgens um fünf aufwachte und gemeinsam mit der Katze auf dem Nachbardach den Sonnenaufgang überm Bosporus anschaute. Bevor sie auf die Baustelle nebenan das Dach bauten. Bevor sie seit eineinhalb Jahren auf der Baustelle nebenan nur noch an Wochenenden, dafür aber pünktlich ab acht Uhr mit Bohrmaschinen weiterbauten. Bevor sie endlich auch die alte, seit über zwanzig Jahren als Parkplatz genutzte Bauruine wiederbelebten und ich die Wahl hatte zwischen Fenster auf und Lärm von dieser Großbaustelle  oder Fenster zu und Lärm vom Bohrer nebenan.

Meine erste türkische Wohnung, die frisch renoviert war und deren Fenster trotzdem nicht richtig schlossen, auf deren Balkon sich trotz Scheiben eine ständig neue Staubschicht sammelte. Aber deren Einbaukleiderschrank der schönste und größte Kleiderschrank war, den ich oder meine Freundinnen bisher besessen haben. Und während ich im Winter ununterbrochen heizen musste, war die Wohnung im Sommer vergleichsweise kühl. Außerdem lag sie so zentral, dass ich schnell im bekanntesten Zentrum auf der europäischen Seite war, aber auch schnell in meinem Lieblings-Mango-Outlet und jede Polizeisirene hörte.

Als wir am Sonnabend früh um halb neun die allerletzten Sachen aus der Wohnung holten, schaute plötzlich nochmal meine – ähem – Lieblingsnachbarin von unten die Treppe hinauf und ich glaube, ich werde die Dame, die mir einige Unnettigkeiten hinterherschrie, nicht vermissen (obwohl es ja besser wurde, nachdem sie herausgefunden hatte, dass ich Deutsche und nicht, wie von ihr vermutet, Russin war). Nein, die Wohnung war schön, um in Istanbul anzukommen und das Zentrum um den Taksim-Platz zu erleben, aber jetzt, da ich mich einmal angekommen fühle, ist es auch schön, in einem richtigen, durchschnittlichen Istanbuler Wohngebiet zu leben. Letzte Woche habe ich sogar einen süßen kleinen Dekoladen mit vielen, vielen tollen Ostersachen gefunden, der einem netten älteren Herrn gehört, der mir erzählt hat (und zwar, als er merkte, dass ich Ausländerin bin, in langserem und nicht lauterem Türkisch), dass er Armenier sei und in unserem Viertel viele Christen lebten, armenische, griechische, katholische Türken. Sein kleiner Laden sei ja auch direkt zwischen den drei Kirchen gelegen und daher habe er auch Sachen für christliche Feste, in erster Linie importiert aus Russland, Griechenland und Deutschland.

Districts of Istanbul. Türkçe: İstanbul'un ilç...

Districts of Istanbul. Türkçe: İstanbul’un ilçeleri. (Photo credit: Wikipedia)

Sowieso gefällt mir die neue Wohnung sehr gut und ich denke, Y. und dem Kater auch. Zum ersten Mal in Istanbul hatte ich am Wochenende endlich die Muße, sie grüner zu gestalten: in der Küche sind in kleinen Töpfen Tomaten und (Mini-)Paprika ausgesät, auf dem Balkon steht ein Topf mit gesteckten Dahlien (der Kater hat aber schon eine wieder ausgebuddelt) und vorm Wohnzimmerfenster steht mein Prachtstück: ein Blumenkasten mit Tulpen und Hyazinthen. Schließlich ist seit gestern in Istanbul Lale-Fest (Tulpenfest), das angeblich schon von Sultan Süleyman dem Prächtigen am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts gefeiert wurde.

In der Wohnung ist bis auf das Arbeitszimmer alles eingerichtet und ich mag unseren meinen neuen, riesigen Kleiderschrank, den wir in einem der Secondhand-Möbelläden gekauft haben, was selbst im Vergleich zu Ikea bedeutend günstiger ist. Nun müssen wir nur noch Kleinigkeiten klären wie:

  • Muss Y. unbedingt seine Plasteteller behalten? (Ich bevorzuge Porzelanteller.)
  • Kann ich mich wirklich nicht von meinen alten Uniaufzeichnungen trennen? (Die nehmen fast gar keinen Platz weg, finde ich, und wir haben ja genug Bücherregale.)
  • Müssen wir zu jedem warmen Gericht auch Brot servieren (türkisch)?
  • Müssen wir wirklich mehrmals pro Woche Kartoffeln essen (deutsch)?
  • Kann der Kater nicht auch im Putzplan eingeplant werden und einige Aufgaben übernehmen? (Fragt Y. Ich glaube, außer Staubwischen ist da aber nichts zu machen.)
  • Muss ich immer so viel shoppen? (Zum Glück merkt Y. ja nicht, wenn zu den Nagellackfläschchen noch eins hinzukommt, vor allem nicht wenn ich es nach hinten stelle.)
  • Muss man (also Y.) wirklich beim Badputzen am Ende alles trocken wischen?
  • Kann ich meine Klamotten auf weniger Raum verteilen (also nicht jeweils einige Teile im Schlafzimmmer, Wohnzimmer, Bad, Flur und Arbeitszimmer)?

Tja, es bleibt spannend.

Ach ja, äußerst positiv ist für die neue Adresse noch zu verzeichnen, dass neuerdings die Post ankommt – ich habe schon einen Brief aus Deutschland und eine Postkarte aus Polen erhalten. Also entweder ist der Briefträger fähiger oder die Nachbarn …

© janavar

 

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5 thoughts on “Bye bye, Taksim! Merhaba Bakırköy!”

  1. Das hört sich alles wundervoll an 🙂 Wieso dachte die Nachbarin, daß Du Russin bist? Siehst Du slawisch aus? Ich habe nämlich das Problem, daß mich viele für eine Russin halten und dann sage ich “Nein” und dann fragen sie nach meinem Namen…dann sage ich “Mascha” und dann fühlen sie sich veräppelt 😉 Schön, daß man jetzt auch sehen kann was Du gerade liest….finde das immer interessant.

    1. Also so ganz klar ist es mir nicht, aber ein türkischer Friseur hat mir mal erklärt, dass meine Wangenknochen höher seien und damit osteuropäisch. Und ich weiß, dass ich aussehe wie meine tschechische Uroma (aber so anders sah sie nicht aus). Ich fürchte, wir lösen das Problem nicht … aber Mascha klingt natürlich schon slawischer 😀

      1. Ja, es sagen mir auch viele das ich etwas slawisch aussehe. Habe nun herausgefunden, daß die Familie väterlicherseits aus Ostpreußen und dem Baltikum kommen. Na dann 😉

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