Seit gestern Abend bin ich zurück aus Deutschland und wieder im warmen Istanbul. Über die türkischen Kommunalwahlen, die am Sonntag stattfanden, berichte ich euch ein anderes Mal, wenn die Stimmen zum zweiten Mal durchgezählt und die Ergebnisse endgültig sind. Heute möchte ich euch lieber Bilder von dem Ort zeigen, den ich für den schönsten halte, an dem ich bisher in meinem ganzen Leben gewesen bin: auf der Burgruine von Sis in Kozan.
Nach Kozan bin ich mit dem Auto gefahren, die etwa 75 km lange Straße von Adana ist sehr gut ausgebaut, es gibt kaum Verkehr, sobald man aus Adana raus ist, und ich konnte ordentlich Gas geben. Den Berg mit der Burgruine konnte ich schon von Weitem sehen. Dorthin zu kommen war durch fehlende Wegweiser aber nicht so einfach. Durch einen ausnahmsweise ausgeprägten Orientierungssinn habe ich aber den Weg gefunden und habe es sogar geschafft, im ersten Gang die steilen Serpentinen auf den Berg zu fahren. Zum Glück gab es auch noch eine breite Parklücke.
Dann wanderte ich über Holztreppen auf die Bergspitze und war froh, dass ich meine bequemen Chucks anhatte, denn auf dem Berg ist nichts abgesperrt, was einem einerseits die Freiheit gibt, überall herumzuklettern, andererseits aber natürlich die Gefahr erhöht. Als ich ganz oben war, war ich absolut sprachlos, weil der Blick von dort oben einfach so atemberaubend ist. Ich konnte die Stadt Kozan unten am Bergfuß sehen, Hügel, grüne Felder, die Aladağlar-Berge in der Ferne, zum Teil sogar mit schneebedeckten Gipfeln, und die fruchtbare Tiefebene Çukurova. Auf den Fotos lässt sich leider nur erahnen, dass ich kilometerweit gucken konnte.
Ich konnte mich überhaupt nicht sattsehen an all den Details und habe mich an verschiedenen Stellen auf einen Stein gesetzt und die Gegend betrachtet. Eigentlich bin ich ja kein besonders großer Fan von Bergen, aber an dieser Stelle mache ich eine Ausnahme. Diesen Gipfel mit der Burgruine finde ich so wunderschön, dass ich wirklich glaube, bisher an keinem schöneren Ort gewesen zu sein. Dort oben ist trotz weniger Besucher absolute Ruhe, man spürt den Wind, die Luft und sonst nur Freiheit. Man erahnt die lange Geschichte der längst verfallenen Burg, die dort schon seit dem Byzantinischen Reich steht. Die Stadt selbst wurde schon 676 v. Chr. gegründet.
Im Grunde gibt es sogar zwei Gipfel, auf dem einen war ich am Ende nicht, weil ich doch ein kleiner Angsthase bin und die alte Steinbrücke dorthin mir nicht mehr vertrauenserweckend genug schien. Dafür bin ich sonst aber auch direkt neben dem steilen Abhang spaziert, ohne Sicherung wie gesagt. Da der Wind oben etwas stärker weht, musste ich doch etwas aufpassen, dass ich nicht zur falschen Seite gedrückt wurde. Aber von jedem Stück war der Blick anders und alles war so schön, dass ich einfach überall und besonders auch am Abhang herumlaufen musste.
Vielleicht war das Besondere, dass ich für mich ganz allein dort oben war. Zu diesem Zeitpunkt wusste niemand außer mir auf der Welt, wo ich ganz genau war. Natürlich hatte ich vor meinem spontanen Trip mitgeteilt, wo ich ungefähr herumfahren würde, aber dass ich an diesem Sonntagnachmittag auf einem Berg in Kozan sitzen würde, wusste niemand. Das war für mich ein besonders Gefühl von Freiheit.
Für mich ist diese Burgruine von Sis ein Ort, an dem ich am liebsten immer dann wäre, wenn ich einen klaren Kopf bekommen möchte. Dort oben könnte ich lange sitzen und schauen und nachdenken. Dort oben verschieben sich die Relationen wieder und Unwichtiges wird wieder unwichtig, weil dort nur das große Ganze zählt, das Wichtige. Der Rest geht im Wind verloren.
Der Weg zurück war übrigens auch kompliziert. Bergrunter ging es wieder im ersten Gang und noch langsamer als hinauf. Aber dann widersprachen sich die Schilder, wohin es zurück nach Adana gehe. Ich drehte insgesamt drei Runden durchs Stadtzentrum und fragte vier Leute, von denen eine Frau mir antwortete, dass es ihr ziemlich egal sei, wie ich nach Adana komme, bevor ich Kozan verlassen konnte. Aber eines Tages werde ich zurückkommen, lange auf der Bergspitze sitzen und gedankenversunken eins werden mit der schönen Welt um mich herum.
Welcher ist für euch der schönste Ort der Welt?
© Janavar
Wow! Fantastische Fotos. Sicher zu gefährlich, aber ein Sonnenauf- oder untergang muss spektakulär von dort aus aussehen.
Mein schönster Ort der Welt: ein mit ein paar hohen auslandenden Kiefern bewachsener Hügel, der in meinen Kinderjahren ein Berg zu sein schien. 🙂