Vier Ts im Titel – was für eine großartige Alliteration :-). Großartig ist auch die Stadt, die ich euch heute und nächste Woche vorstellen möchte: Tekirdağ, eine mittelgroße Stadt in Ostthrakien. Das heißt, sie liegt im Westen der Türkei, in Europa. Als ich im Juni für einen Tag dorthin gefahren bin, hat jeder den Kopf über mich geschüttelt, weil die Stadt mit den etwa 150.000 Einwohnern so normal und langweilig sei. Ja, selbst der Lieblingsmensch hat mich für verrückt erklärt, obwohl auch er noch nie dort gewesen ist. Aber ich mache ja selten das, was alle tun (- alle meine Mitbewerber wollten an Schulen in Südamerika, ich habe Südamerika ausgeschlossen und bin in die Türkei gegangen; ich will so gerne nach Südkorea reisen, was bisher niemand nachvollziehen konnte außer Südkoreaner …). Also kaufte ich mir Ende Juni ein Busticket und fuhr morgens um sieben Uhr vom großen Istanbuler Otogar (Busbahnhof) los in Richtung Westen.
Zwei Stunden später kam ich an und war sofort von der Ruhe und dem vielen Grün begeistert. Aufs ganze Jahr gesehen komme ich viel zu selten aus Istanbul heraus und freue mich immer wie ein Schnitzel, wenn ich dann mal richtig frische Luft einatmen und die Jahreszeit an mehr als nur der Außentemperatur festmachen kann. Außerdem ist mir sofort aufgefallen, dass es eine riesige Promenade am Wasser gibt – Tekirdağ liegt am Marmarameer – aber leider keinen Strand. Dafür gibt es überall Statuen berühmter Menschen, wie z.B. Atatürk, der 1928 das arabische Alphabet in der Türkei abschaffte und das lateinische einführte.
Ich habe erst einmal gefrühstückt und noch einmal ganz genau meinen Lonely Planet zu Tekirdağ studiert, bevor ich dann zielgerichtet zu den Museen gelaufen bin, die ich euch aber nächste Woche zeige. Außer mir habe ich keinen Ausländer an dem ganzen Tag getroffen, was verdeutlicht, wie wenig touristisch erschlossen die Stadt ist. Es gibt auch kaum Hotels dort und die meisten Touristen reisen wohl eher nicht mit den öffentlichen Reisebussen herum. Dabei ist die Stadt bzw. die gleichnamige Region berühmt für ihren Rakı. Ich hätte es toll gefunden, eine Rakı-Destillerie zu besuchen, konnte dazu aber leider überhaupt keine Informationen online oder in Reiseführern finden, weshalb wir davon ausgehen müssen, dass dieses bestimmt eigentlich tolle und interessante Erlebnis nicht angeboten wird.
Dafür habe ich auf meinem Spaziergang durch die Stadt tolle Cafés gefunden, die sich hinter einer Moschee verstecken. Dort sieht es fast so aus wie im Garten und man kann entweder unter Schirmchen sitzen oder direkt im Schatten großer Bäume auf groben Holzmöbeln. Sowieso fand ich die Einwohner ganz besonders nett, vielleicht auch weil es nicht so viele Touristen in der Stadt gibt. Beim Mittagessen im “Green House” beispielsweise setzten sich drei Friseurlehrlinge an meinen Tisch und begannen sofort ein Gespräch mit mir, das wir trotz meiner schlechten Türkisch- und ihrer nicht vorhandenen Fremdsprachenkenntnisse ganz gut führen konnten. Sie erzählten von ihrer Lehre, warnten mich vor einem nahen Viertel und waren neugierig, warum ich in Istanbul wohne. Während ich mich in Istanbul inzwischen aus Vorsicht auf keine spontanen Gespräche mit unbekannten Männern mehr einlasse, war es dort am Mittagstisch total entspannt. Definitiv ein Pluspunkt für das kleine Tekirdağ.
Sowieso ist die Stadt tatsächlich ganz normal, eine türkische Durchschnittsstadt, wo es noch nicht dreißig Einkaufszentren gibt, wo sich im Stadtzentrum Geschäfte für den täglichen Bedarf befinden. Es gab gleichermaßen konservativ und modern angezogene Einwohner. Wenn man allerdings aus dem Zentrum herauskommt, kann man (vom Reisebus aus z.B.) sehen, dass überall neue Häusersiedlungen gebaut werden. Damit liegt Tekirdağ natürlich voll im Trend, weil es in der Türkei seit Jahren eine riesige Landflucht gibt. Während die Dörfer sterben, werden die Städte immer größer und ungemütlicher.
Die beiden kleinen Katzen musste ich natürlich fotografieren, weil ich ja kaum an Katzen vorbeigehen kann. Es gab aber vergleichsweise wenige Katzen, fand ich. Das wurde durch die Zahl der Statuen aber ausgeglichen 😀 Wirklich, an fast jeder Ecke steht eine, wobei Atatürk natürlich am häufigsten vertreten ist. Zur Zeit wird die Stadt auch von der von Atatürk gegründeten Partei CHP regiert.
Den Spielplatz fand ich auch ganz besonders toll. Wäre er leer gewesen oder ich noch ein Kind, hätte ich mich sofort auf die Ungeheuerarme gestürzt. So musste ich allerdings Haltung bewahren und versuchen, nicht negativ aufzufallen. Sowieso ist es an der Uferpromenade besonders schön, am Nachmittag war sie viel bevölkerter als am Morgen und überall gab es kleine Cafés, die bei der Hitze kalte Milkshakes in allen möglichen Sorten servierten. Für mich gab es eines mit Honigmelone.
Am Abend, bevor mein Bus zurück ins große Istanbul fuhr, habe ich im empfohlenen Restaurant “Ali Usta” gegessen, denn neben Rakı ist Tekirdağ auch für sein Essen berühmt, insbesondere für die Tekirdağ köfte und Tekirdağ peynir helvasi – einen Nachtisch mit viel Käse, yum!
Wenn man nur die Stadt erkunden möchte, reicht ein Tag übrigens vollkommen. Aber ich habe gehört, dass es in der Umgebung auch nette Weingüter geben soll, auf denen man auch übernachten kann. Vielleicht kann ich das ja im nächsten Sommer machen.
Nächste Woche zeige ich euch noch die süßen Museen der Stadt.
© janavar
Total schön! Ich finde es gut, dass Du Dich auch abseits von Touristenpfaden umsiehst.