Die letzten Wochen war mal wieder geprägt von Arbeit, Arbeit, Arbeit, kleinen schreiberischen Seitensprüngen auf suite101 und noch ein wenig anderen dramatischen Entscheidungen – oder sagen wir mal: Entscheidungen, die ich wohl überlegt getroffen habe, aber weiß, dass sie noch sehr viel Drama nach sich ziehen werden (aber dazu dann, wenn es so weit ist).
Aber ich mag ja Drama, also meistens, und auch wenn es mir zunächst niemand glauben mag, sucht es mich oft sogar unfreiwillig aus. Was meint ihr also, wie viel Drama Drama Drama passieren kann, wenn ich mit Mama und Papa unterwegs bin??? Und das war so:
DAS Naherholungsgebiet Istanbuls nennt sich Prinzeninseln, kurz: die Inseln. Davon gibt es neun Stück im Marmarameer, etwa zehn bis 23 Kilometer südöstlich des Bosporus. Die größte der Inseln mit 5,4 qkm und etwa 7300 Einwohnern ist – Überraschung – die Büyük Ada, die Große Insel. Dorthin schipperte ich eines bewölkten Vormittags mit Mami und Papi mit der Fähre von Kabataş aus. Jeder von uns war mit einem Regenschirm bewaffnet, Mami und Papi als ordentliche Touristen zudem mit Rucksäcken. Auch ich hatte mich dem Touristenstyle angenähert, Ballerinas, drei Pullover und kaum Makeup.
Als wir gegen Mittag ankamen, begann es natürlich zu regnen. Was einen echten Touristen aber natürlich nicht stört. Und die faulen Straßenkatzen und -hunde auf Büyük Ada auch nicht. Wir wollten eine Kutschfahrt machen, so wie es in allen Touristenführern und Fernsehdokumentationen angepriesen wird. Kutschfahrten gehörten zu den Prinzeninseln wie, äh ja, wie die Aya Sofya zu Istanbul. Nun mag ich ja eigentlich keine Pferde. Ich mag Esel. Aber Pferde sind mir zu groß und vor allem haben sie zu große gelbe Zähne. Hey, ich hatte eine Zahnspange und renne total gern zu regelmäßigen Kontrollen beim Zahnarzt. Ich gucke einem Mann sogar mit zuerst auf die Zähne. Also: Pferde haben definitiv keine Gebiss zum Knutschen. Aber zusammen waren wir mutig und bestiegen eine Kutsche, die mit pornorotem Wachstuch bezogen war. Die beiden schwarzen Pferde schnaubten und galoppierten sofort los und wir hielten uns gut fest. An der Ecke war ein Schäferhund aufgewacht und raste einem Polizisten auf seinem Motorrad nach. Ansonsten gab es ein paar Lieferwagen – ja, so viel dazu, dass Autos auf den Prinzeninseln angeblich verboten seien -, viele schöne Gärten, viele zum Verkauf stehende Häuser und frei durch die Natur laufende Pferde. Unsere Pferde rannten auch die Straßen entlang, als hätten sie drei Monate keinen Auslauf gehabt. Berghoch, bergrunter und immer im Galopp. In der Ferne sahen wir die anderen Inseln, an den Seiten weitere leerstehende Häuser, viel Steilküste und Pferdeställe. Manchmal überholten uns andere Pferdewagen, manchmal überholten wir andere. Die Inselbewohner schienen wenige andere Interessen zu haben. Wichtig ist, welches Pferd das Beste und Schnellste ist. Und unsere waren definitiv ganz vorne im Rennen. Der Kutscher kurbelte fleißig an der Wagenbremse und benutzte seine Peitsche. Und den Berg hinunter hätten wir bestimmt den Geschwindigkeitsrekord gebrochen – hätte das linke Pferd nicht alles verhindert.
Auf einmal hörte ich Mama neben mir grell aufschreien, irgendwann wandelte sich der Schrei in Worte um: “Das Pferd ist tot.” Und wir schlitterten den Berg hinunter. Das linke Pferd war auf der feuchten Straße ausgerutscht, umgekippt und rollte unter der Kutsche, während das rechte Pferd den Wagen weiterzog und nicht anhalten wollte.
Irgendwann konnte der Kutscher alles stoppen und sprang vom Wagen, Papa mit seinem Fotoapparat hinterher. Beide redeten dem Pferd gut zu und etwa zehn Minuten später stand dieses wieder auf und wollte fröhlich weiterhoppeln. Da ich ja ohnehin keine Pferde mag, wäre ich gern ausgestiegen, aber leider waren wir irgendwo mitten auf der Insel. Außerdem klammerte Mama sich an mich und gab immer noch verängstigte Laute von sich. Und so ertrugen wir alle das Ende der Fahrt, das gar nicht schnell genug kommen konnte.
Den Rest des Tages verbrachten wir im Hauptort Adalar, tranken Kaffee, spazierten durch den Ort, fotografierten die faulen, aber äußerst fotogenen Katzen, tranken noch mehr Kaffee und freuten uns irgendwie stark auf die Rückreise. Eines ist sicher: eine Kutschfahrt kommt mir in den nächsten Jahren nicht mehr in die Tüte! Aber auf einer der anderen Inseln soll es Eseltouren geben :-).
© janavar
(erstmals veröffentlicht am 14. Mai 2011)