Was den Jugendwahn angeht, bin ich ganz vorn mit dabei. Insbesondere drei Tage vor meinem Geburtstag. Die Ankündigung einiger Schülerinnen, mir entweder Kuchen oder Antifaltencreme schenken zu wollen, hat die Sache nicht einfacher gemacht.
Ich gebe ja der Familienseite von Mama Wildkatze die Schuld. Tante Wildkatze geht auch mit sechzig noch täglich fünf Kilometer joggen und sah bis vor fünf Jahren in Hotpants einfach nur heiß aus (mittlerweile ist knielang, aber eng angesagt). Mama Wildkatze besitzt etwa zwanzig verschiedene Gesichtcremes und fragt bei jeder Gelegenheit, ob sie auch wirklich nicht zu alt aussieht (tut sie nicht!). Alle weiblichen Wildkatzes färben sich die Haare, machen Sport, gehen gern shoppen für das kleine bisschen bessere Aussehen und legen fleißig Diättage ein.
Hinzu kommt auch noch die Seite von Papa Wildkatze. Hohe Lebenserwartungen, Opa Wildkatze ist mit seinen 97 Jahren immer noch geistig und körperlich fit und bis vor zwei Jahren täglich etwa zehn Kilometer Fahrrad gefahren.
Ach, und der Druck von Oma Wildkatze: Kind, wann heiratest du denn endlich und bekommst Kinder? (für Oma in dieser Reihenfolge)
Das Alter also … keiner in der Familie würde wohl sagen, er fühlt sich so alt, wie er tatsächlich ist. Immer schön fünf bis fünfzehn Jahre abziehen. Und so ähnlich halte ich das natürlich auch. Vier Jahre in Folge feierte ich meinen 23. Geburtstag, aber ein weiteres Mal hat die türkische Regierung gerade verhindert, als sie das Gesetz so änderte, dass man in der Türkei Alkohol erst ab 24 Jahren trinken darf. Aber ich nehme an, mein erster circa 24. Geburtstag wird nicht zu schlimm. Mittlerweile habe ich die perfekte Gesichtspflege (Antifaltencreme für Anfänger) gefunden, mache zwar weiter keinen Sport, keuche aber mittlerweile nicht mehr beim ewigen Berg- und Treppensteigen durch Istanbul und Haarefärben ist zum Glück noch nicht nötig (aber natürlich war ich vorgestern schonmal beim Friseur um mich auf den Geburtstag selbst vorzubereiten). Mein BMI entspräche den Idealmaßen einer Fünfzehnjährigen, aber dafür ist auch kein Platz für Cellulitis. Und so werde ich auch diesen anstehenden Geburtstag faltenfrei im kurzen, kurzen Röckchen und mit Alkohol feiern.
Auch vom Benehmen her kann ich mich durchaus verschiedenen Altersstufen anpassen: am Tag seriöses Auftreten im Etuikleid, konzentriertes Arbeiten, den Haushalt organisieren; des Nachts gefühlte etwa Anfang Zwanzig, Herumhüpfen auf Konzerten, Unsinn quatschen, Facebook mal so richtig vollspamen und wissend, dass ich so eine richtig doofe Kuh sein kann – bis ich mich dann wieder ganz Dame vom Taxi quer durch die Stadt nach Hause fahren lasse.
Resultat also von “Dreiundzwanzig, Klappe die Vierte”?
- joah, war ein supersupertolles Jahr, was den Beruf angeht, schließlich bin ich in Istanbul gelandet
- überhaupt: Istanbul, Istanbul, Istanbul – Traum des Auswanderns erfüllt, die tollste Metropole der Welt gefunden und auch noch die passende Wohnung
- viel Stress, aber auch Herausforderungen und Abwechslung gehabt
- ganz viele nette Leute kennen gelernt (mit denen ich des Nachts herumspringe)
- Interessen ausgebaut, z.B. das Schreiben, Politik, Sprachenlernen, das Dramatisieren der Dinge
- insgesamt fast beängstigend spontan geworden, wenn ich mir meine Reisepläne betrachte
- Geduld entwickelt, wenn auch eher im Sinne von “Warten auf Godot”
- und was nicht so dolle läuft, wird mit genügend unsinnigen Aktionen gestaltet, damit für Weltschmerz wenig Platz ist (der nur noch zwischen Donnerstag und Sonntag Abend)
- lerne ich endlich buggykiten in Dänemark am Strand
- wird die Bikinifigur gehalten, aber nicht reduziert
- wird beruflich wieder so einiges passieren, aber erst nach den Sommerferien, also ab Mitte September
- werden mehr Chilloutphasen eingeplant
- wird mein erster Roman geschrieben (ich hab ja keine Disziplin, deswegen muss ich es der Welt verkünden, um mir selbst Druck aufzubauen)
- wird wohl am Ende fast alles so bleiben wie bisher, und das ist mit wenigen Ausnahmen ziemlich super 🙂
© janavar
(erstmals veröffentlicht am 21. Mai 2011)