Wie ich auf die Idee kam, auszuwandern

Ich dachte, ich erzähle euch mal ein paar Geschichten, und hoffe, dass sie euch interessieren. Anfangen möchte ich damit, wie ich überhaupt auf die Idee kam, auszuwandern:

Die Chance, dass ich eines Tages auswandern würde, war im Grunde sehr gering, als ich 1984 in der DDR geboren wurde. Immerhin hatten wir Westverwandtschaft, meine Großeltern, die bereits Rentner waren, durften diese regelmäßig besuchen und als ich vier oder fünf war, durfte mein Papa auch alleine in den Westen reisen – an dieser Tatsache haben mich allerdings am allermeisten die beiden Monchhichis begeistert, die er mir aus dem fremden Land mitbrachte.

Immerhin änderten sich meine Chancen aber 1989 gewaltig, auch wenn ich in unserem kleinen Dorf mit den rund 200 Einwohnern als Kind sehr zufrieden war. Das Einzige, was mich ungeheuer ärgerte, war, wenn in den Sommerferien alle meine Cousins und meine Cousine meine Großeltern im Nachbardorf besuchten und sie sich auf Englisch unterhielten. Ich verstand nämlich kein Wort Englisch. Erstens war ich die Jüngste der Familie und zweitens konnte bei uns auf dem Dorf sowieso kein Mensch Englisch. Inzwischen nehme ich an, dass das Englisch meiner Cousins auch nicht mehr als ein paar Floskeln waren, weil sie nicht so viel älter als ich sind, aber es reichte, um mich so richtig zu frustrieren.

Tja, und auch meine erste Englischstunde in der 5. Klasse war ein totaler Reinfall. Ich verstand nämlich wirklich kein Wort und konnte nicht einmal auf die simpelsten Fragen meiner Lehrerin antworten, wie “What’s your name?”, “How old are you?”. Ich erinnere mich daran, dass ich auf den Boden starrte und einige mich auslachten, weil sie von ihren älteren Geschwistern wenigstens diese Dinge schon gelernt hatten. Ich hatte keine Geschwister. Auch die Vokabeln der nächsten Stunden konnte ich mir beim besten Willen nicht merken, schon weil alles mündlich war, ich aber immer durch Schreiben am besten lerne. Bis heute benutze ich übrigens Wörter wie “ruler” und “biro” äußerst selten. Immerhin wurde hier aber trotzdem mein Ehrgeiz angestachelt und ich lernte die Sprache fleißig.

Die wichtigste Stunde scheint mir im Nachhinein die zu sein, in der das “will-future” eingeführt wurde. Als Übung sollten wir nämlich auf die Frage “What will your life be like in 20 years?” antworten und ich schrieb: “In 20 years I will live in Australia.” An meine anderen Sätze erinnere ich mich nicht, aber die Idee, in einem anderen Land, vielleicht nicht unbedingt Australien, zu leben, setzte sich fest. So erzählte ich jedem, seit ich elf Jahre alt war, ich würde eines Tages auswandern – und wurde meistens ausgelacht.

Offenbar stachelt mich aber besonders das Auslachen immer an und so hielt ich an meiner Idee fest. Nach dem Abitur überlegte ich kurz, ob ich statt Lehrerin lieber Psychiaterin werden sollte, entschied mich aber unter anderem deswegen dagegen, weil ich die Chancen, als Arzt im Ausland zu arbeiten, als schwerer einschätzte. Meinen Eltern musste ich lediglich versprechen, die Lehrerausbildung bis zum Ende durchzuhalten, was ich getan habe und was mir sicherlich bei meinem Vorhaben stark geholfen hat, weil Lehrer in jedem Land gebraucht werden. So bin ich am Ende bzw. 2010 in Istanbul gelandet und habe meinen Traum wahr gemacht, auch wenn die meisten in unserem Dorf immer noch den Kopf über mich schütteln. Aber die können heute auch garantiert immer noch kein Englisch.

© Janavar

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5 thoughts on “Wie ich auf die Idee kam, auszuwandern”

  1. Wie bist du auf die Türkei als Auswanderungsland gekommen? Das ist jetzt kein “typisches” Land zum Auswandern, obwohl es viel zu bieten hat.

    Ah und wegen Marokko: Wir haben das bei einem Reiseanbieter “names MarokkoErleben” gebucht, die sind aus HH und spezialisiert auf nur dieses Land, die bieten auch Gruppen- und Themenreisen an. Da ist bestimmt auch ein tolles Reiseangebot für dich dabei. 🙂

    Grüße Myriam

  2. Vielleicht sind auch viele in Deinem kleinen Dorf beeindruckt und wollen es nur nicht zugeben. 🙂

    Aus meinem kleinen Dorf bin ich nicht die Einzige im Ausland. Eine gute Freundin hat es bis nach Japan verschlagen.

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