Immer wieder sonntags #100

Seit ich in den USA bin, sind Europa und die Politik dort sehr weit entfernt. Doch wenn ich im Moment die Nachrichten aus Europa sehe, werde ich traurig. Ich halte mich meistens aus Diskussionen heraus, einfach weil ich mir nicht sicher bin, ob ich überhaupt ein Recht habe, noch mitzureden. Eigentlich würde ich viel lieber in dem Land, in dem ich meinen Wohnsitz habe, aktiv mitreden/mitbestimmen dürfen, weil mich die Politik immer viel direkter beeinflusst.

In Deutschland habe ich seit über fünf Jahren nicht mehr gelebt und bin (trotzdem?) absolut dafür, dass die Flüchtlinge aufgenommen werden. Wohl auch weil ich gesehen habe, wie die syrischen Flüchtlinge im letzten Winter unter den Straßenbrücken in Istanbul gehaust und kaum Hilfe erfahren haben. Dazu kommt natürlich, dass ich Deutsch als Fremdsprache und somit auch interkulturelle Bildung und Erziehung studiert habe und selbst jemand bin, der immer in anderen Ländern leben wollte. Ich bin froh, dass mir noch niemand in den USA gesagt hat, dass sie mich – aus welchem Grund auch immer – nicht haben wollen.

Die Türkei habe ich erst seit drei Monaten verlassen und manchmal bin ich froh, dass das ganze politische Chaos mich nicht mehr betrifft, aber als ich gestern von dem Bombenanschlag in Ankara las, kamen mir die Tränen. Ich kenne die türkische Gesellschaft, die Politik, die Probleme. Das gestern war wieder einer der vielen hinterhältigen Anschläge, von denen das Land erschüttert wird. So viele Tote und Verletzte und gleichzeitig sofort die Anschuldigungen und eine Pressezensur. Im Moment beschuldigt die Regierung drei völlig unterschiedliche Gruppierungen, die überhaupt nichts gemein haben, geht gleichzeitig wieder einmal mit Tränengas auf Demonstranten los, die nun eigentlich gegen die Anschläge protestieren. Ich würde es der Türkei gönnen, wenn sie endlich einmal zur Ruhe käme, aber in der derzeitig konfliktgeladenen Welt ist dies nicht wahrscheinlich.

Ich sitze hier gerade in einem kleinen Holzhaus an einem See im Nirgendwo und alles ist sehr weit weg, aber trotzdem weiß ich, dass mich die Konflikte und ihre Bewältigung immer betreffen. Ich hatte Glück, dass ich in meinem ersten Monat damals in Istanbul den Bombenanschlag am Taksimplatz nur von meinem Balkon aus gehört habe und gerade nicht selbst unterwegs war und auch meine Freunde nicht. Ich habe genauso Glück, dass ich bisher in jedem Land, in das ich wollte, leben durfte, unabhängig davon ob ich die Sprache konnte oder nicht. Vielleicht hatte ich auch einfach nur Glück, in Mitteleuropa geboren zu werden.

|Gesehen| A New York Love Story, How to make it in America
|Gelesen| Ana of California, Postcards from the past
|Gehört| Santana, Tokio Hotel
|Getan| gearbeitet, getanzt, nach Maine gefahren und entspannt
|Gegessen| Sushi, Bauernfrühstück, Quiche, Blaubeerpfannkuchen, Fischsuppe
|Getrunken| Wasser, Kaffee, schwarzer Tee, Weißwein
|Gedacht| Es ist sehr traurig, was in Ankara passiert ist.
|Gefreut| über das perfekte lange Wochenende
|Gelacht| na klar, zu viert reißen wir hier ständig Witze
|Gewünscht| dass das Wochenende endlich startet
|Gekauft| Essen; etwas WetnWild-Kosmetik, weil es zwei Produkte zum Preis von einem im Angebot gab
|Geklickt| Wettervorhersage für Maine; den Blog meiner Freundin Manja, die nun zwei Jahre lang um die Welt reisen wird [hier]

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Since I’ve lived in the US, Europe and its politics are far away. Still, when I watch news from Europe at the moment, I become sad. I mostly refrain from discussions, simply because I am not sure if I am still allowed to have a say. I actaully would rather be allowed to actively have a say/participate in the country which is my permanent residence because these politics influence me in a much more direct way.

I haven’t lived in Germany for more than five years, and still I am (nevertheless?) absolutely for taking in refugees. Probably also because I saw how the Syrian refugees lived under the road bridges in Istanbul last winter and obtained hardly any help. Besides, I of course studied German as a foreign language and thus also intercultural education. I am also someone who has always wanted to live in other countries. I am glad that so far nobody in the US told me that they didn’t want me – for whatever reason.

I left Turkey only three months ago. Sometimes I am happy to have left that political chaos behind. But when I read about the bomb attack in Ankara yesterday, my eyes welled up with tears. I know the Turkish society, the politics, the problems. Yesterday’s attacks were again two of (too) many malicious ones which set the country on fire. So many dead and injured people, and at the same time there are immediately accusations and a censorship of the press. Right  now the government accuses three totally different groups, that have nothing in common. Also they tear-gas protesters who actually march against the attacks. I would be so happy if Turkey finally got some peace. But this is not likely in a conflictual world like this.

I am sitting here in a little wooden house at a lake in the middle of nowhere, and everything is very far away. But I still know that conflicts and overcoming them always affect me. I was lucky that I only heard the bomb attack on Taksim Square in my first month in Istanbul in 2010 from my balcony, but neither my friends nor me were out and about. I am just as lucky that so far I have always been allowed to live in every country I wanted to live in. It didn’t matter if I spoke the country’s language. Maybe I was only lucky because I was born in Central Europe.

|Watched| A New York Love Story, How to make it in America
|Read| Ana of California, Postcards from the past
|Listened to| Santana, Tokio Hotel
|Done| worked, danced, went up to Maine and relaxed
|Eaten| sushi, farmer’s breakfast, quiche, blueberry pancakes, fish soup
|Drunk| water, coffee, black tea, white wine
|Thought| It is very sad what happened in Ankara.
|Been glad| about the perfect long weekend
|Laughed| the four of us here are joking all the time
|Desired| the weekend to start
|Bought| food, some WetnWild cosmetic products because there was a buy one, get one free offer
|Clicked| weather forecast for Maine; my friend Manja’s blog because she is traveling the world over the next two years [here]

© Janavar

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8 thoughts on “Immer wieder sonntags #100”

  1. Liebe Jana, danke für diesen schönen und auch traurigen Artikel. Ich weiß genau was Du meinst. Ich lebe ja auch nicht mehr in Deutschland und zurzeit versuche ich mich mehr in die australische Politik einzufuchsen, weil diese mich ja die nächsten Jahre betreffen wird. Aber ich bleibe Deutsche/Europäerin und natürlich verfolge ich die Nachrichten sehr genau. Wahrscheinlich noch genauer als der Durchschnittsmensch, weil mein Mann und ich auch journalistisch tätig sind und es daher dazugehört jeden Tag X Nachrichtensender zu schauen und X Zeitungen zu lesen. Mich macht die Flüchtlingskrise wütend und traurig. Die Aufnahme der Flüchtlinge läuft einfach total planlos und man kann nicht einfach Menschenmassen unkontrolliert hineinlassen. Das würde kein Land der Welt machen. Man hätte schon viel früher Türkei und Co unterstützen müssen. Man hätte Gelder schicken müssen und man hätte gezielt Arbeitskräfte suchen sollen unter den Flüchtlingen usw. So wie es jetzt gehandhabt wird geht das nicht. Und was mich besonders traurig macht ist, daß die EU eigentlich nicht funktioniert und die Länder wieder anfangen dicht zu machen. Wie Du richtig sagst, man mag sich nicht wirklich einmischen, wenn man selber nicht wirklich betroffen ist. Und daher blogge ich auch nicht darüber. Ich bin selbst ein Ausländer in Australien und ich warte jetzt darauf, daß ich mein festes Visum bekomme. Ich bin glücklich hier zu sein und bin dankbar diese Chance zu haben. Alles Liebe 🙂

  2. Guten Morgen,
    deswegen lasse ich meine politische Meinung aus dem Internet raus

    Deinen Kater könnte ich stundenlang anschauen, so schön ist er!

    Ich wünsche dir eine entspannte Woche!

    LG Ivi

  3. Ich kann deine Gedanken sehr gut nachvollziehen. Mir geht es in Norwegen nicht anders. Ich verfolge was in Deutschland und der Eu passiert, versuche mich umfassend zu informieren,und fühle mich oft so schlecht. Gerade weil wir “einfach so” übersiedeln könnte tut es mir so weh zu sehen, wie viele Menschen, denen es so viel schlechter geht als mir, nicht einfach da leben dürfen wo sie wollen.

  4. Liebe Jana, als stille Mitleserin verfolge ich deinen Blog schon seit längerem. Als vor ein paar Tagen der Bombenanschlag in Ankara passiert ist, musste ich an dich denken, da du ja längere Zeit in diesem Land gelebt und immer so voller Wärme von der Türkei berichtet hattest. Deshalb (aus meiner Sicht) musst du dich nicht dafür entschuldigen, dass du nun entgegen deiner Gewohnheit doch etwas politischer in deinem Blogbericht wirst. Ich glaube, dass man zur Zeit nicht anders kann, als politisch zu sein. Die räumliche Distanz kann manchmal auch dazu dienen, den Blick zu schärfen :). Dir weiterhin alles Gute. Lieben Gruß bjmonitas

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