Entdeckt: Yeşilköy

Am Sonntag Nachmittag wollten wir bei 18°C im Schatten spazieren gehen, aber nicht einfach so. Nein, denn am Wochenende ist das Zentrum von Bakırköy rappelvoll, weil vor allem die Leute von den umliegenden, ärmeren Bezirken kommen und am Wasser picknicken. Der Rasenstreifen ist dann voll mit wenigen Bäumen, einigen Holzkohlegrills und Campingkochern, auf denen sogar frischer Tee gekocht wird, vielen schreienden Kindern (“Anne! Anne! Gel!” – Mama, Mama, komm her!”), verhältnismäßig vielen Frauen in langen Mänteln und mit Kopftuch, Männern mit Schnurrbärten und in T-Shirts oder kurzärmeligen Hemden, dicke Romafrauen mit bunten Röcken, großen Blumen auf lockergebundenen Kopftüchern und immer mit bunten Socken mit Kindermotiven, die jeden anreden und mich grundsätzlich festhalten, um ihre Rosen zu verkaufen. Nein, wir wollten mal etwas anderes sehen und fuhren daher mit dem Bus am Wasser entlang bis zum nächsten Viertel, Yeşilköy (es gehört auch zum Bezirk Bakırköy und ist den meisten am ehesten bekannt, weil der Atatürk-Flughafen dort liegt).

Sankt-Stephan-Kirche

Ursprünglich war Yeşilköy ein kleines Dorf, das es seit byzantinischen Zeiten gibt: unter dem griechischen Namen Άγιος Στέφανος, Heiliger Stephan. Der Legende nach sollten die Gebeine dieses ersten christlichen Märtyrers von Byzanz nach Rom gebracht werden, doch ein Sturm hielt das Schiff auf, weshalb die Gebeine des Heiligen Stephan vorübergehend in einer Kirche gelagert wurden, bis sie schließlich doch nach Rom transportiert werden konnten. Die Sankt-Stephan-Kirche gibt es immer noch – sie steht groß und mächtig und vor allem schön gelegen direkt an der Uferpromenade des Viertels. Dahinter kann man ein Minarett erkennen. Ebenfalls hier am Strand landeten 1203 die Kreuzritter aus Mittel- und Westeuropa, die ein Jahr später Byzanz zerstörten und die reichen Kirchen plünderten. Seinen momentanen Namen Yeşilköy – das Grüne Dorf – erhielt das Viertel erst 1926, als alle Ortsnamen türkisiert wurden, von dem türkischen Schriftsteller Halit Ziya Uşakligil, der das – damals noch – Dorf sehr liebte.

Die Promenade Yeşilköys ähnelt  denen Süd- und Westeuropas (sie hat mich mit ihren spazierenden Menschenmassen am Sonntag aber auch stark an Rostock-Warnemünde erinnert). Sie ist breit mit hübschen Palmen und kleinen Cafés, auf der anderen Seite mit größeren Felsen als Wellenbrecher. Es gibt mehrere Strandabschnitte, die wohl aufgeschüttet wurden mit einer Mischung aus kleinen Stücken von Muschelschalen und Korallen. An einem Ende befindet sich ein kleiner Yachthafen, wo auch frisch gegrillter Fisch in Brötchen vom Boot verkauft wird. Überhaupt machen die kleinen Händler an einem schönen Wochenendtag auf der Promenade wohl ein sehr gutes Geschäft: es werden Wasserflaschen, Eis, heiße Maronen, Simits, frisch gebackene Gözleme (wie herzhaft gefüllter Eierkuchen), gerade gepopptes Popcorn und ganz viel Spielzeug, wie z.B. Drachen, verkauft. Während die Kinder brav in die Luft schauen, laufen ihre Eltern begeisterter mit einer langen Drachenschnur in der Hand am Strand entlang.

Es gibt viele kleine Straßen ins Zentrum von Yeşilköy, wo es in erster Linie Cafés und Restaurants gibt (Ich kann das Waffle House empfehlen). Einige Stände verkaufen frischgefangenen Fisch, in der Bäckerei Backhaus gibt es deutsches Brot (habe gleich ein “König Ludwig-Brot” gekauft, ein gutes Mischbrot mit Dinkel), außerdem fallen die vielen hübsch restaurierten Holzhäuser auf, die in den meisten anderen Stadtteilen längst verfallen oder für moderne Betonbauten abgerissen sind. Schneller als mit dem Bus, der Probleme hat, durch den dichten Verkehr zum Flughafen und durch die engen Straßen Yeşilköys zu fahren, kommt man übrigens mit der Vorortbahn zwischen Sirkeci und Halkalı, die je nach Tageszeit zwei- bis dreimal pro Stunde fährt, hin und zurück.

Sogar Starbucks befindet sich in einem der hübschen Holzhäuser

Die St.-Stephan-Kirche von der Promenade aus gesehen

© janavar

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2 thoughts on “Entdeckt: Yeşilköy”

  1. Wie immer sehr interessant. Die Bilder sehen schön aus- eben nach Urlaub. Könnte wirklich an der Ostsee sein, aber das ist ja eben das Schöne – es ist Istanbul. Die Stadt, die ich mir ganz anders vorgestellt habe. 😉

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