Cause, baby, you’re the one

Vor einer Weile wollten mir meine Schüler unbedingt diese türkischen Wörter vermitteln, “seni seviyorum”, mit der Begründung, ich müsse doch die wichtigste Aussage der Welt auf Türkisch kennen. Meine Antwort? “So einen komplizierten Satz benutze ich nicht.”

“Ich liebe dich.” habe ich bisher zu genau zwei Männern gesagt und dies liegt bereits so weit in der Vergangenheit, dass es längst nicht mehr wahr ist. Die Zahl derer, bei denen ich es außerdem fühlte, liegt nur geringfügig höher. Verbalisiert habe ich es nicht, weil ich ungern emotionalen Selbstmord begehe. Selbst betrunken würde ich es niemals mitteilen (und kann an dieser Stelle auch nur von anderen Gefühlsbekundungen besonders in Fremdsprachen abraten. Da kann aus “gern haben” schnell ein “kreuzigen” werden). Zum Glück behindert dies meine imaginäre Mauer um mich herum: sie ist vor allem aus Trachyt und im gotisch-romantischen Stil (so eine Dornröschenschlossmauer), im Moment baue ich noch ein paar bunte 1001-Nacht-Zwiebeltürme mit guter Spitze darauf (hach, es lebe mein ausgezeichnetes ästhetisches Gefühl, das gepaart mit meiner deutschen Qualitätsarbeit ein wahres Meisterwerk der Architektur schafft).

Im Grunde setzt man sich nach meiner Erfahrung mit “Ich liebe dich.” zumeist in die Nesseln, sei es die Emotion oder – und dies noch viel mehr – ihre (erste) Verbalisierung. Ich meine, beispielsweise habe ich damals meinen Freund vor lauter Überraschung einfach mitten in der Uni stehen gelassen und bin schweigend geflüchtet.

Andererseits gibt es eine Person, bei der ich mir 100% sicher bin, bei der es mir kein Kopfzerbrechen bereitet, ihr zu sagen: “Ich liebe dich.” Meine beste Freundin. Wir lernten uns vor sieben Jahren in einem Seminar kennen und stellten schnell fest, dass wir nicht nur das gleiche Sternzeichen haben (Zwillinge, dient seitdem als ausgezeichnete Erklärung für alle unsere Taten) und gleich positiv verrückt sind, sondern auch Freunde mit dem gleichen Vornamen, gleichen Charakterzügen und gleichen Sternzeichen (Fische, versuchen wir seitdem zu vermeiden) haben. Während unsere Beziehungen und Affären kamen und gingen wie auch andere Freundschaften, blieben wir uns treu.

Und zusammen erleben wir so einiges:

  • Da war die Nacht, in der wir, nachdem wir unserem Lieblingsgetränk Sekt etwas zu sehr gefrönt hatten, laut singend und tanzend durch die Straßen zogen (“Hamma” und “Umbrella”).
  • Wir verbrachten mit Freunden ein Wochenende am Strand und amüsierten am meisten damit, uns mit Schwimmreifen und Kindergummibooten in der Ostsee treiben zu lassen.
  • Da waren unzählige Shoppingtrips, gemeinsame Friseurbesuche, durchquatschte Nächte, durchtanzte Nächte …
  • Der Sommer, in dem es mir so schlecht ging, dass sie mich dreimal am Tag anrief, ob ich noch da war, mich zu jeder Party schleppte zur Ablenkung und sich mein Leiden täglich geduldig anhörte.
  • Und ein Jahr später fuhren wir zum ersten Mal gemeinsam für eine Woche in den Urlaub nach Tunesien und bewunderten die geschmackvolle Stadtarchitektur in unseren Lieblingsfarben pink, rosa und lila.
Im Rosésekt sind zwei unserer Lieblingsdinge verbunden: Lieblingsgetränk und Lieblingsfarbe

Mittlerweile habe ich sie seit zwei Jahren nicht gesehen, aber unsere stundenlangen Skypegespräche geben Zeugnis davon, dass selbst dies unserer Freundschaft keinen Abbruch tut. Denn egal wie, sie ist immer bei mir. Und mit ihr habe ich gelernt, dass Freunde wichtiger sind als jeder Mann. Denn die wichtigste und tiefgründigste “Beziehung” habe ich in den letzten Jahren mit ihr geführt. Sie weiß genau, wie ich hinter meiner Mauer tatsächlich bin, darf mir alles direkt an den Kopf knallen und weiß Dinge über mich, die ich niemandem sonst anvertrauen würde. Tatsächlich würden wir uns sogar heiraten, wenn wir nicht so überzeugt heterosexuell wären (nur der gemeinsame Wunsch nach einer pinken Küche reicht dann doch nicht aus). Aber so ist sie die Instanz, die meine Männer ebenfalls überstehen müssen – und nur sehr wenige haben sie überhaupt kennen gelernt. Und so lange der sch* Prinz auf seinem weißen Gaul nicht an meine Tür klopft, ist es doch eine sinnvolle Beschäftigung, fast jeden Abend mit ihr über uns, das Leben, die Welt, den besten Sekt, die schönsten Highheels, das pornöseste Sofa und zukünftige kleine Botoxinjektiönchen zu diskutieren.

In ihrem Fall bin ich sicher, dass wir noch in einigen Jahrzehnten als heiße Geräte im Leobikini mit unseren Sektgläschen in der Hand irgendwo am Strand sitzen und uns über uns und die Welt amüsieren werden – und dass ich ihr noch sehr oft “Ich liebe dich.” sagen werde.

© janavar

(erstmals veröffentlicht am 12. März 2011)

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