Turkey Tuesday: Zum Sonnenaufgang auf dem Nemrut Dağı

Als mein Geburtstag Ende Mai immer näher rückte, wurde mir immer klarer, dass ich ihn nicht groß feiern wollte. Erstens mochte ich die Zahl 30 noch nie, zweitens entdeckte ich ständig mehr graue Haare und drittens war ich mit meiner Gesamtsituation unzufrieden und wollte die nicht noch feiern. Daher schenkte ich mir selbst ein Wochenende mit mir ganz alleine am Nemrut Dağı, dem Berg der Götter im Südosten der Türkei, zu dem ich schon lange wollte.

Ich flog am Freitag nach der Arbeit nach Gaziantep, schlief noch eine Runde im Flugzeug, weil der Abend vorher ganz versehentlich lang und Raki-getränkt gewesen war, und nahm dann sofort meinen Leihwagen in Empfang. Übrigens von einem netten Deutschtürken, der mir erklärte: “Falls Sie Unfall machen …”, was ich aber nicht hoffte. Dann fuhr ich über vier Stunden von Gaziantep bis zum Nemrut Dağı. Die Schnellstraßen – ich bin immer zu geizig, für die Autobahn zu zahlen – waren ausgezeichnet und relativ leer. Irgendwann war es nur noch dunkel, es gab aber zur Abwechslung Wetterleuchten und schließlich Gewitter. Die Wegweiser sind wie überall in der Türkei rar, d.h. eigentlich nicht vorhanden oder nicht eineindeutig. Dass ich den Weg trotzdem gefunden habe, muss eine göttliche Eingebung gewesen sein.

Aber wenigstens kam ich nachts im gebuchten Hotel an, dem Hotel Euphrat Nemrut, das sehr simpel ist und den Beschreibungen im Internet nicht entspricht. Dafür sind die Besitzer äußerst nett und das Essen ausgezeichnet. Ich wollte sowieso nur noch schlafen und es wurde wieder eine sehr kurze Nacht, weil ich pünktlich um vier Uhr mit dem Auto die letzten paar Kilometer auf den Berggipfel fuhr. Der Sonnenaufgang ist übrigens die beliebteste Touristenzeit, die Straße war voll, der Parkplatz sowieso und der Aufstieg auf den Berg war wie eine Pilgertour. Ich hatte die Kälte dort oben auf 2.150 Metern absolut unterschätzt (jaaa, die Jacke lag ja im Auto, aber ich konnte schlecht nochmal zurücklaufen, um ja nicht den Sonnenaufgang zu verpassen), aber noch schlechter hatten es die türkischen Omas getroffen, die mit ihren Adiletten kaum den gut ausgebauten Holzstieg nach oben kamen und immer wieder am Wegrand Verschnaufspausen einlegen mussten.

Etwas fröstelnd wartete ich also mit hunderten anderen auf den Sonnenaufgang auf dem Gipfel, der seit über 2.000 Jahren sowohl ein Heiligtum als auch eine Grabstätte ist. Auf zwei Terrassen ließ König Antiochos I. von Theos Götterstatuen errichten, die der griechischen und der persischen Mythologie angehören. Erdbeben haben die Statuen geköpft, aber die Köpfe sind inzwischen davor aufgestellt. Sie sind tatsächlich riesig und haben auf dem Gipfel einen schönen Ort gefunden, um auf viele andere Berge und Täler gucken zu können.

An dem Morgen sah es lange Zeit so aus, als könne man gar keinen Sonnenaufgang beobachten. Aber schließlich strahlte die Sonne doch noch ein winzigkleines bisschen durch die dunkle Wolkenwand und zum Glück hatte ich lange genug ausgeharrt, um noch ein paar Bilder machen zu können. Warum auch immer wollte dann eine Gruppe türkischer Teenager einzeln Fotos mit mir schießen, wogegen ich mich natürlich nicht verwehrte, sondern mich wie eine kleine Prinzessin fühlte, die garantiert noch nicht wie 30 aussah. Wobei: Wie ein Prinzesschen hätte ich mich so oder so gefühlt, schon weil ich eben genau an meinem Geburtstag zum Sonnenaufgang auf dem Göttergipfel stand.

Als ich irgendwann durchgefroren genug war, spazierte ich den Gipfel wieder hinunter, schaute mir den Souvenirstand an, entschied mich vernünftigerweise gegen eine Götterstatuen-Leuchte, aber natürlich für einen Miniaturlöwen und gerade als ich wieder im Auto saß, begann es stark zu regnen. Zurück im Hotelzimmer schaltete ich die Heizung an und verkroch mich noch für ein paar Stunden unter der warmen Bettdecke. Ein 30-jähriger Körper braucht schließlich eine Menge gesunden Schönheitsschlaf. Und als ich am späten Vormittag richtig aufstand, war das schlechte Wetter weggezogen und ich konnte den Tag, von dem keiner dort wusste, dass er mein Geburtstag war, in vollen Zügen genießen.

© Janavar

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